Conte will Vertrauensfrage stellen
bl Mailand – Italiens Premierminister Giuseppe Conte sucht nach dem Rückzug der Kleinstpartei Italia Viva von Ex-Premierminister Matteo Renzi aus der Regierung nach einer neuen Mehrheit. Conte will am Montag im Abgeordnetenhaus und am Dienstag im Senat die Vertrauensfrage stellen. Er sucht nach Überläufern anderer Parteien, etwa aus Renzis Italia Viva, aus Forza Italia von Ex-Premier Silvio Berlusconi, aus der Gruppe unabhängiger Parlamentarier und aus dem Zentrum. Fraglich ist vor allem, ob er im Senat die nötigen Stimmen zusammenbekommt. Conte appelliert an die “Verantwortungsbewussten” und schloss, ebenso wie die Regierungsparteien PD und 5-Sterne-Bewegung, ein neues Bündnis mit Renzi aus. Auch eine Koalition mit der rechtspopulistischen Lega von Matteo Salvini und den Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni will die bisherige Mitte-links-Koalition keinesfalls eingehen. Die rechte Opposition fordert Neuwahlen, die sie laut Umfragen deutlich gewinnen würde.Conte hatte sich zuvor erneut mit Staatspräsident Sergio Mattarella getroffen, der auf eine schnelle Lösung der Krise dringt. Dem Staatspräsidenten kommt in Regierungskrisen eine wichtige Rolle zu. Sollte es Conte nicht gelingen, eine neue Regierung zu bilden, könnte es eine Übergangsregierung aus Technokraten oder Neuwahlen geben. Mattarella lehnt Mehrheiten, die von Fall zu Fall gebildet werden, ab und will eine stabile Regierung. Der parteilose Conte strebt deshalb offenbar an, Überläufer aus anderen Gruppierungen in einer festen Partei bzw. Gruppierung zusammenzufassen, die die Regierung unterstützt. Dabei dürfte er aber zu erheblichen Kompromissen etwa beim europäischen Recovery-Programm gezwungen sein, wodurch wichtige Vorhaben verwässert werden könnten.Italien soll aus dem Programm 209 Mrd. Euro in Form von Zuschüssen oder sehr günstigen Krediten erhalten. Ohne eine handlungsfähige Regierung könnte sich jedoch die Auszahlung des Geldes zumindest verzögern. In Europa wächst die Besorgnis wegen der Krise. David Sassoli, Präsident des Europaparlaments, bezeichnete die Stabilität Italiens als “wichtiges Gut” und ist zuversichtlich, dass die Krise überwunden werden kann.Die Krise kommt zu einem besonders heiklen Zeitpunkt. Am Donnerstagabend verabschiedete das Kabinett den bereits fünften Nachtragshaushalt seit Beginn der Coronakrise mit einem neuen Defizit von 32 Mrd. Euro. Er braucht die Zustimmung des Parlaments. Am Freitag wurde angesichts der Verschärfung der Coronakrise außerdem eine Ausweitung der Restriktionen im Land beschlossen. Außer Südtirol und Sizilien ist von Montag an auch die wirtschaftsstarke Lombardei mit Mailand eine “zona rossa” mit weitgehenden Einschränkungen fast aller Aktivitäten.Confindustria-Präsident Carlo Bonomi kritisiert fehlende Reformpläne der Regierung für Justiz und Verwaltung sowie zu geringe Investitionen in die Infrastruktur im Süden. Conte verteile das Geld mit der Gießkanne und plane auch zu wenig für Investitionen ein.