Ifo-Geschäftsklima

Corona-Sorgen dämpfen Stimmung

Sorgen vor dem weiteren Verlauf der Pandemie und anhaltende Lieferengpässe hinterlassen Spuren im Ifo-Geschäftsklima. Zum Jahresende hin dürfte sich das Wirtschaftswachstum deutlich verlangsamen.

Corona-Sorgen dämpfen Stimmung

ba Frankfurt

Die Unsicherheit über den Fortgang der Corona-Pandemie und die Frage, wann sich die Lieferengpässe auflösen, haben die Stimmung auf den deutschen Chetagen im Juli unerwartet gedämpft. Damit reiht sich der vom Münchner Ifo-Institut erhobene Geschäftsklimaindex in die Ergebnisse der in den Tagen zuvor veröffentlichten Stimmungsindikatoren ein, darunter der Einkaufsmanagerindex und die Umfragen von ZEW und Sentix. Alle signalisieren zwar, dass die deutsche Wirtschaft auf Wachstumskurs bleibt. Aber die jeweiligen Erwartungskomponenten haben nach Höhenflügen zumindest eine Pause eingelegt.

Das Ifo-Geschäftsklima sank im Juli um 0,9 auf 100,8 Punkte (siehe Grafik). Ökonomen wurden von dem ersten Rückgang des wichtigsten Frühbarometers für die konjunkturelle Entwicklung hierzulande überrascht – sie hatten im Mittel mit einem Anstieg auf 102,0 Zähler gerechnet. Die 9000 monatlich befragten Unternehmen bewerteten ihre aktuelle Geschäftslage dabei erneut besser als zuvor, blickten aber zugleich etwas pessimistischer auf die kommenden Monate. „Lieferengpässe bei Vorprodukten und Sorgen um wieder steigende Infektionszahlen belasten die deutsche Wirtschaft“, kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest.

Die Klimaeintrübung zieht sich mit Ausnahme der Baubranche durch sämtliche Sektoren. Eine Ursache dafür sind die Lieferengpässe – so klagten fast 64% der Industriebetriebe mittlerweile über Engpässe bei Vorprodukten wie Chips. „Das strahlt mittlerweile auf andere Branchen aus“, erklärte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe im Reuters-Interview. So klagten auch 60% der Groß- und mehr als 42% der Einzelhändler über Probleme. „Das ist wie ein Dominoeffekt“, betonte Wohlrabe. Die Thematik werde wohl auch in der zweiten Jahreshälfte bestehen bleiben. „Wir hatten gedacht, dass die Lieferengpässe nur ein temporäres Problem darstellen, doch sie dürften wohl noch ein bisschen länger anhalten.“

Der Industrie machen aber nicht nur die Materialengpässe seit längerem zu schaffen – so können die rekordhohen Auftragsbestände nicht abgearbeitet werden, die Industrieproduktion stockt. Der Ifo-Umfrage zufolge klagen zunehmend Unternehmen über Fachkräftemangel. Die Kapazitätsauslastung konnte von 85,9 auf 87,1% gesteigert werden und liegt damit deutlich oberhalb des langfristigen Mittelwerts von 83,5%.

Die entscheidende Negativschlagzeile kommt für Andreas Scheuerle von der DekaBank jedoch von den Dienstleistern: Mit Blick auf die im Juli getätigten Geschäfte hätten die „durch das Ende des Lockdowns entfesselten Kräfte“ mit Ausnahme des Einzelhandels getragen. Doch seien die Geschäftserwartungen deutlich zurückgeschraubt worden, da die Sorgen vor einer vierten Coronawelle zu schwer auf diesen Wirtschaftsbereichen lasteten. „Wie blank die Nerven liegen, lässt sich an der Forderung der Gastronomie nach mehr Impfanreizen sowie an dem Impfappell des Einzelhandels ablesen“, betonte Scheuerle.

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) ging zu Wochenbeginn auf Abstand zu Überlegungen innerhalb der Bundesregierung, den Zugang zu Restaurants einzuschränken für Menschen, die nicht gegen das Coronavirus geimpft sind. Ein Zugang nur für Geimpfte in Restaurants und Kneipen sei nur in einem „Worst Case“ vorstellbar, wenn die Infektionslage sich dramatisch verschlechtere, zitierte die Nachrichtenagentur dpa-afx Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges (siehe auch nebenstehenden Text).

Auch über eine Pflicht zur Impfung gegen das Coronavirus ist unter Politikern eine Diskussion entbrannt. „Viele Politiker reden wieder von neuen Beschränkungen“, stellte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer fest. Mit einem erneuten undifferenzierten Lockdown rechnet Krämer allerdings nicht. Insofern werde sich das Wachstum im vierten Quartal nach einem starken Sommerhalbjahr massiv verlangsamen, die Wirtschaft aber nicht schrumpfen. Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, sieht das Wachstumshoch überschritten: Im Herbst gehe es vom Aufhol- in den Normalmodus.

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