Coronakrise hält die Welt im Klammergriff

Dax stürzt ab - Öffentliches Leben erlahmt - Grenzen schließen

Coronakrise hält die Welt im Klammergriff

wbr/ms/scd Frankfurt – Die Coronakrise eskaliert – auch in Deutschland. Die Zahl der Infektionen hierzulande ist auf mehr als 6 000 gestiegen. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung werden immer weitgehender. Bund und Länder ordnen die Schließung vieler Geschäfte an, das öffentliche Leben erlahmt. Zugleich nimmt die Angst vor drastischen Auswirkungen auf die Wirtschaft zu. Trotz massiver Interventionen der Notenbanken stürzen die Aktienkurse weiter ab. Der Dax ist auf den tiefsten Stand seit mehr als sieben Jahren gefallen. In den vergangenen vier Wochen hat er deutlich mehr als ein Drittel eingebüßt (siehe Grafik).Die Ängste an den Börsen werden genährt von einer wachsenden Zahl an Horrormeldungen aus den Unternehmen. Am Montag kündigte Tui an, den operativen Geschäftsbetrieb temporär einzustellen. Europas Airlines müssen ihre Flugpläne teils um bis zu 90 % zusammenstreichen und hoffen ebenso wie der Reisekonzern auf Staatshilfen. Zugleich beginnt der Automobilsektor die unmittelbaren Auswirkungen der Corona-Pandemie zu spüren. Die französische PSA-Gruppe kündigte an, die Produktion in Europa zeitweise aussetzen zu müssen. Auch bei Volkswagen werden Werke etwa in Spanien und der Slowakei heruntergefahren.Die Aktien in Europa sind auf den niedrigsten Stand seit mehr als sieben Jahren gefallen – allen Maßnahmen der Notenbanken und Regierungen zum Trotz. Der Euro Stoxx verlor 5,3 % auf 2 450 Punkte. Zwischenzeitlich lag der Index mehr als 10 % im Minus. Der deutsche Leitindex Dax fiel bis gegen Mittag ebenfalls um mehr als 10 % und markierte ein Tagestief bei 8 255 Punkten. Am Nachmittag erholte er sich und schloss mit einem Minus von 5,3 % bei 8 742 Punkten. Damit ging der Ausverkauf am Aktienmarkt in der neuen Woche weiter. S&P 500 fällt zweistelligIn den USA ist der S&P 500 zur Eröffnung zweistellig gefallen und löste einen 15-minütigen Handelsstopp aus. Im weiteren Verlauf erholten sich auch die Kurse in New York. Am Abend notierte der S&P 500 bei 2 488 Punkten, was einem Minus von 6,7 % entspricht. Die Zinssenkung der Fed, üblicherweise eine Beruhigungspille für die Märkte, zeigte auch an den US-Aktienmärkten keine Wirkung. Am Bondmarkt fiel die Rendite der US-Staatsanleihen. Die Rendite für zehnjährige Treasuries sackte zu Beginn um 30 Basispunkte ab. Im Tagesverlauf stieg sie wieder auf 0,77 %. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen war weitgehend unverändert bei -0,47 %.Am Ölmarkt ging der Absturz ebenfalls weiter. Nach dem Streit zwischen Russland und Saudi-Arabien über Förderkürzungen droht ein Angebotsüberhang. Die Sorte Brent gab bis Montagabend um 12 % auf 29,80 Dollar nach, die US-Ölsorte WTI fiel im Tief auf 29,32 Dollar. Durch die weiter fallenden Notierungen werde die Lage für US-Schieferölförderer kritisch, warnten gestern Analysten.Den neuerlichen Absturz der Börsen konnten auch die Notenbanken mit weiteren Notfallmaßnahmen nicht verhindern. Im Gegenteil: Statt die Märkte zu beruhigen, sorgten die Aktionen bei Investoren für noch mehr Angst und Verunsicherung. Die Fed hatte am Sonntagabend ihren Leitzins gleich um 100 Basispunkte auf das bereits in der Weltfinanzkrise erreichte Allzeittief von 0 bis 0,25 % gesenkt und einen Neustart breiter Anleihekäufe beschlossen – im Volumen von zunächst 700 Mrd. Dollar. Das war bereits die zweite außerplanmäßige Fed-Entscheidung binnen weniger als zwei Wochen und sie erfolgte nur drei Tage vor dem regulären Zinsentscheid am Mittwoch. Ebenfalls am Sonntag hatten die wichtigsten Zentralbanken der Welt neue konzertierte Aktion zur Stärkung der Versorgung mit Dollarliquidität beschlossen. Gestern lockerte dann auch die Bank of Japan ihre Politik auf einer Sondersitzung. Viele Geschäfte schließenUnterdessen beschloss die Politik gestern drastische Maßnahmen, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. So einigten sich etwa in Deutschland Bund und Länder darauf, das öffentliche Leben in nie dagewesener Weise einzuschränken und in Großteilen de facto lahmzulegen. Viele Geschäfte sollen geschlossen und Freizeitaktivitäten verboten werden. “Das sind Maßnahmen, die es so in unserem Lande noch nicht gegeben hat”, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie rief die Bürgerinnen und Bürger auch auf, keine Urlaubsreisen ins In- und Ausland mehr zu unternehmen und sich an die neuen Regeln zu halten.Bereits zuvor war bekannt geworden, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Einreisen in die EU für 30 Tage auf ein Minimum beschränken will. Die Regierungschefs wollen heute über den Vorschlag beraten. Unterdessen gingen in der EU auch die Diskussionen über innereuropäische Grenzschließungen weiter. Die EU-Kommission legte neue Leitlinien für Grenzkontrollen vor, nachdem zuletzt immer mehr EU-Länder eigene Maßnahmen ergriffen hatten.Die Staats- und Regierungschefs der G7-Staaten vereinbarten gestern bei einer Telefonkonferenz, ihre Zusammenarbeit im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus ausbauen. Die Pandemie sei eine globale Gesundheitskrise, die große Gefahren für die Weltwirtschaft mit sich bringe, hieß es in einer Mitteilung: “Wir werden unsere Bemühungen koordinieren, um die Ausbreitung des Virus zu verzögern, unter anderem durch geeignete Grenzschutzmaßnahmen.” Die Staats- und Regierungschefs sagten außerdem zu, “unter Einsatz aller politischen Instrumente alles zu tun, was nötig ist, um ein starkes Wachstum der G7-Volkswirtschaften zu erreichen”. – Nebenstehender Kommentar Schwerpunkt Seiten 4, 5 und 13 Personen Seite 12