IM BLICKFELD

Costas Kurswechsel in Portugal scheint gelungen

Von Thilo Schäfer, Madrid Börsen-Zeitung, 8.12.2016 Kurz nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten im November 2015 stand António Costa mit seiner sozialistischen Minderheitsregierung schon vor der ersten Zerreißprobe. Der Linke Block (Bloco de...

Costas Kurswechsel in Portugal scheint gelungen

Von Thilo Schäfer, MadridKurz nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten im November 2015 stand António Costa mit seiner sozialistischen Minderheitsregierung schon vor der ersten Zerreißprobe. Der Linke Block (Bloco de Esquerda, BE), die Kommunisten (PCP) und die Grünen, die Costa zum Amt verholfen hatten, verweigerten ihre Unterstützung zur Rettung der Regionalbank Banif mit Staatshilfen von mehr als 2 Mrd. Euro. Die Operation gelang nur, da die konservative Opposition im Parlament mit der Regierung stimmte. Für die meisten Beobachter war Banif der Beweis dafür, dass Costas Experiment – das erste Mal, dass sich Portugals Linke auf eine Regierung einigt – nicht lange gutgehen würde.Ein Jahr später sind es erneut Probleme im Bankensektor, die das Bündnis zum Wackeln bringen. Der BE stimmte mit den Konservativen für eine Gesetzesänderung, die das von den Sozialisten (PS) bestellte Management der staatlichen Caixa Geral de Depósitos (CGD) zur Offenlegung ihrer Bezüge und Vermögen zwingt, woraufhin der Vorstandsvorsitzende und mehrere Aufsichtsräte zurücktraten. Mit Paulo Macedo wurde sehr schnell ein Nachfolger für den CGD-Vorsitz gefunden, der nun den mit Brüssel abgesprochenen Plan zur Rekapitalisierung des größten Geldinstituts des Landes durchführen muss. Dieser sieht Staatshilfen von 2,7 Mrd. Euro und die Ausgabe von Anleihen von 1 Mrd. Euro vor. Costas linken Bündnispartnern geht es vor allem darum, dass CGD zu 100 % in Staatsbesitz bleibt und sich nicht privatem Kapital öffnet.Die Regierung hat ihre konservativen Vorgänger von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho bezichtigt, die großen Probleme in der Finanzbranche vertuscht und verschleppt zu haben. Diesbezüglich hat es von Analysten auch Kritik an der Troika gegeben, die während des Rettungsschirms für Portugal von 2011 bis 2014 die Defizite bei den Banken offenbar nicht richtig eingeschätzt hatte. So ging im Sommer 2014 Banco Espírito Santo (BES), die damals größte Privatbank des Landes, pleite. Nach einem gescheiterten ersten Versuch sind die Sozialisten nun dabei, den verstaatlichten Novo Banco, in dem die gesunden Aktiva von BES liegen, zu reprivatisieren. Erstaunlich stabiles BündnisAbgesehen von den Turbulenzen in der Finanzbranche kann Costa eine durchaus positive Bilanz seines ersten Amtsjahres zeichnen. Das heterogene Bündnis mit den drei Parteien links der PS hat sich als recht stabil entpuppt, sehr zum Erstaunen vieler Kritiker. Wie vor einem Jahr stimmten letzte Woche BE, PCP und Grüne im Parlament für den Haushaltsplan 2017. Dieser ist ein weiterer Schritt in der von Costa im Wahlkampf angekündigten “Abkehr von der Austeritätspolitik”. Gleichzeitig wird Portugal 2016 das Staatsdefizit unter die 3-Prozent-Marke drücken und 2017 weiter reduzieren.Zum Auftakt der Amtszeit nahm die Regierung in Absprache mit ihren linken Partnern die Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst teilweise zurück und führte die 35-Stunden-Woche ein. Der Mindestlohn wurde angehoben und die Mehrwertsteuer für das Gastgewerbe gesenkt. Der Haushalt 2017 geht in dieselbe Richtung, mit einer Anhebung der Renten und der Abschaffung des unter dem Rettungsschirm eingeführten Aufschlags auf die Einkommensteuer. Wie 2015 hätten sich der Linke Block und die Kommunisten radikalere Schritte gewünscht, gaben aber doch grünes Licht.Als in den ersten Monaten dieses Jahres das Wirtschaftswachstum an Dynamik verlor und die Investitionen zurückgingen, machten viele Analysten die Politik von Costa dafür verantwortlich. Die Ratingagentur Moody’s hielt dagegen, dass die Kürzungen und Reformen der konservativen Vorgängerregierung unter Aufsicht der Troika “nicht zu einer Verbesserung des Wachstumspotenzials beigetragen haben”. Auch der Internationale Währungsfonds räumte ein, dass die radikale Sparpolitik nicht die erhofften Ergebnisse gebracht hatte.Portugal bewegt sich mit einer Staatsverschuldung von über 130 % auf Messers Schneide. Als einzige der vier von der Europäischen Zentralbank (EZB) anerkannten Ratingagenturen gewährt die kleine kanadische DBRS Portugals Anleihen noch ein “Investment Grade”. Sollte sie ihre Meinung ändern, dürfte die EZB im Prinzip keine portugiesischen Titel mehr kaufen.Lissabon entging im Mai nur knapp einem Defizitverfahren durch die Europäische Kommission, doch das Blatt hat sich gewendet. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) verbuchte im dritten Quartal einen Anstieg von 0,8 %, die höchste Wachstumsrate der Eurozone. Der entscheidende Faktor ist der Boom der Tourismusbranche. Portugal ist ohne Zweifel derzeit sehr angesagt, und die Hauptstadt wird von ausländischen Besuchern regelrecht überschwemmt.Die Regierung nutzt die Konjunktur im Tourismusgeschäft und erhöht im Haushalt 2017 die Steuern für die Vermietung von Ferienappartements. Zudem wird eine Sondersteuer auf Luxusimmobilien eingeführt, die Geld in die Staatskasse bringen soll. Auf der Ausgabenseite will die Regierung weiter Personal im öffentlichen Sektor abbauen. Finanzminister Mario Centeno rechnet daher damit, das Defizit 2017 auf 1,6 % senken zu können, nach den anvisierten 2,4 % in diesem Jahr. Die Europäische Kommission ist etwas skeptischer und prognostiziert Fehlbeträge von jeweils 2,7 % und 2,2 %, da sie von einem geringeren Wirtschaftswachstum ausgeht. “Die portugiesische Wirtschaft sollte nächstes Jahr von einer leicht stärkeren Weltwirtschaft und einem Anstieg der Exporte profitieren. Die Kommission und die Regierung rechnen beide mit einem Anstieg der Investition trotz der Probleme im Bankbereich”, schreibt BNP Paribas.Die gute Konjunktur weckt Begehrlichkeiten bei den linken Partnern, die Costa weitere Zugeständnisse bei den Sozialausgaben abringen wollen. Doch der Sozialist fühlt sich dem Konsolidierungskurs verpflichtet und sitzt ein Jahr nach Amtsantritt fest im Sattel. Seine PS macht in aktuellen Umfragen einen Sprung und könnte heute im Idealfall sogar eine absolute Mehrheit erreichen.