IM BLICKFELD

Cum-ex-Ausschuss plant ein Defilee großer Namen

Von Angela Wefers, Berlin Börsen-Zeitung, 12.3.2016 Die Liste der 27 zu ladenden Zeugen liest sich eindrucksvoll. Vier Bundesfinanzminister aus fünf Legislaturperioden, ein gutes Dutzend frühere und amtierende Staatssekretäre, vier Bankenaufseher...

Cum-ex-Ausschuss plant ein Defilee großer Namen

Von Angela Wefers, BerlinDie Liste der 27 zu ladenden Zeugen liest sich eindrucksvoll. Vier Bundesfinanzminister aus fünf Legislaturperioden, ein gutes Dutzend frühere und amtierende Staatssekretäre, vier Bankenaufseher von einst und heute, den Präsidenten des Bundeszentralamts für Steuern sowie zwei ehemalige Bankenpräsidenten und Geschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) – all jene wird der frisch eingesetzte 4. Untersuchungsausschuss des Bundestags als Zeugen verhören. Der förmliche Beschluss wird am Donnerstag, in der ersten regulären Sitzung des Ausschusses, fallen.So eindrucksvoll wie sich die Liste liest, liegt der Eindruck nahe, dass der Ausschuss einer Staatsaffäre ersten Ranges auf den Grund geht. Und in der Tat ist der Grünen-Politiker Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher seiner Fraktion, überzeugt, dass mit einer Sonderform des Dividendenstrippings, den sogenannten Cum-ex-Geschäften rund um den Dividendenstichtag, Steuern im großen Stil hinterzogen worden sind. “Es ist zahlreichen Millionären und über 120 Finanzinstituten gelungen, uns Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zwischen 2002 und 2012 geschätzt 12 Mrd. Euro aus der Tasche zu ziehen”, sagte Schick jüngst im Bundestag. Wie genau dies geschehen ist und wer dafür die Verantwortung trägt, dies soll der Untersuchungsausschuss in der restlichen Legislaturperiode bis 2017 klären.Schick zufolge hat das “Finanzamt die Türen zum Tresor “weit offenstehen lassen” und “wissentlich zugesehen”, wie “Banken und Millionäre” die öffentlichen Kassen “geplündert” haben. Harte Berechnungen zu den entgangenen Steuern gibt es naturgemäß nicht. Nimmt man die Zahl von 12 Mrd. Euro in elf Jahren als Rechengröße und legt sie auf die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden um, so bewegen sich die mutmaßlichen Ausfälle zwischen 0,20 % und 0,25 % des jährlichen Aufkommens. Noch viele Fragen offenUnbestritten ist, dass es die Steuerumgehung gegeben hat, die nach dem Wechsel zum Halbeinkünfteverfahren unter der rot-grünen Koalition möglich wurde – bis 2006 im Inland. Nachdem der Gesetzgeber diese Lücke mit dem Jahressteuergesetz 2007 geschlossen hatte, waren die Transaktionen bis 2012 noch über Auslandsplätze möglich. Danach war endgültig Schluss. Ob sie rechtswidrig waren, ist nicht abschließend geklärt. Von einigen Kreditinstituten wie der LBBW, der HSH Nordbank und der HypoVereinsbank ist bekannt, dass sie sich mit den Finanzbehörden auf eine Nachzahlung verständigt haben.Wie genau die Geschäfte abgelaufen sind, ist ebenfalls offen. Es soll verschiedene Varianten gegeben haben. Das Prinzip aber beruht darauf, dass ein Verkäufer vor dem Dividendenstichtag (cum Dividende) leer verkauft und die Aktien erst nach dem Stichtag (ex Dividende) liefert. Damit gab es kurzfristig zwei Eigentümer – einen rechtlichen und einen wirtschaftlichen – und doppelten Anspruch auf Steuererstattung. Für die depotführende Bank, die die Steuerbescheinigungen ausstellt, war nicht ersichtlich, welche Anteile bereits leer verkauft waren. Auf die mehrfachen Erstattungen hatte der BdB 2002 das Bundesfinanzministerium in einem Schreiben aufmerksam gemacht und auch eine Lösung vorgeschlagen, um die Lücke zumindest im Inland dicht zu machen. Ausländische Banken müssen keine deutsche Steuer einbehalten und abführen.Die Komplexität der Cum-ex-Geschäfte macht es für den Ausschuss, der auf Betreiben der Opposition aus Grünen und Linker eingesetzt worden ist, schwer, daraus politisches Kapital zu schlagen. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) stellte bei der Einsetzung mit der ihm eigenen Süffisanz fest: “Wenn es diesem Ausschuss gelingt, am Ende der Öffentlichkeit deutlich zu machen, womit er sich überhaupt beschäftigt hat, hätte er schon eine beachtliche Kommunikationsleistung erbracht.” Bei schwer vermittelbaren Inhalten helfen Personen, um öffentliche Aufmerksamkeit zu sichern. Umso wichtiger ist somit das Defilee bekannter Namen und Gesichter, das der Ausschuss mit seinen Zeugenladungen gesichert hat.Soweit die Kreditwirtschaft im Fokus steht, ein möglicher Schuldiger zu sein, hat es einen Schwenk zur privaten Säule gegeben. Grüne und Linke zielten zunächst auf die Landesbanken, doch ist der Bundestag nicht für Länderfragen zuständig. Der Untersuchungsauftrag erstreckt sich nun nur auf private Kreditinstitute, Institute mit Bundesbeteiligung und auf solche, die der Soffin gestützt hat. Akten abliefern muss aber – zumindest zunächst – nur der BdB. Dort dürften die Arbeiten schon heiß laufen, da innerhalb von drei Wochen sämtliche Dokumente, Daten und Dateien im Original zu übergeben sind, die sich auf vier Schreiben des BdB an das Bundesfinanzministerium aus 2002 bis 2006 zu Transaktionen um den Dividendenstichtag beziehen. Es geht um den gesamten Schriftverkehr, auch zwischen den Verbänden. Der Auftritt der früheren Bankenpräsidenten Rolf-E. Breuer und Klaus Peter Müller vor dem Ausschuss ist inklusive. Auch die einstigen Geschäftsführer für Steuern sowie für Wertpapier und Börse, Hans-Jürgen Krause und Thomas Weisgerber, plant der Ausschuss zu zitieren. Beide sind 2004 ausgeschieden. Man darf gespannt sein, wie viel die Erinnerung zur Wahrheitsfindung beitragen kann.