Damoklesschwert über Berlin

Von Stefan Paravicini, Berlin Börsen-Zeitung, 10.1.2020 Eigentlich läuft es derzeit nicht schlecht für den Wirtschaftsstandort Berlin. Das Wachstum liegt seit Jahren über dem Bundesdurchschnitt und dürfte diese Serie auch im neuen Turnus...

Damoklesschwert über Berlin

Von Stefan Paravicini, BerlinEigentlich läuft es derzeit nicht schlecht für den Wirtschaftsstandort Berlin. Das Wachstum liegt seit Jahren über dem Bundesdurchschnitt und dürfte diese Serie auch im neuen Turnus fortsetzen. Neben einer wachsenden Zahl aufstrebender Jungunternehmen möchte jetzt auch der US-Elektrowagenpionier Tesla zumindest in die Nachbarschaft der Bundeshauptstadt ziehen. Schon bald – man traut es sich immer noch nicht laut zu sagen – könnte auch der neue Flughafen BER eröffnen, der der Metropole zusätzlich Schub bringen dürfte. Und wer weiß, vielleicht kann Berlin demnächst auch als Ausrichter der Internationalen Automobil Ausstellung (IAA) Tempo machen. Christian Amsinck, der Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB), ist zum Jahresauftakt trotzdem nicht in Feierlaune. Ein Damoklesschwert hänge über der Stadt, sagte er im Gespräch mit Journalisten mit Blick auf die wichtigsten wirtschaftspolitischen Themen der Region für 2020.Gemeint ist, na klar, der Mietendeckel, der vom rot-rot-grünen Berliner Senat beschlossen wurde und demnächst umgesetzt werden soll, auch wenn es verfassungsrechtliche Bedenken insbesondere mit Blick auf den Eingriff in bestehende Verträge gibt. Das ist aber nicht das Einzige, was den UVB stört. Denn unabhängig davon, ob der Mietendeckel tatsächlich kommt, sorge er schon heute für Unsicherheit bei den Unternehmen. Das wird nach Einschätzung von UVB-Hauptgeschäftsführer Amsinck Wachstum kosten. “Unsere Sorge ist, dass diese jahrelange Sonderkonjunktur auf eine harte Belastungsprobe gestellt werden könnte”, sagt er mit Blick auf die kräftige Dynamik in den vergangenen Jahren, die seit 2009 einen Anstieg der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Berlin um mehr als 460 000 auf zuletzt gut 1,5 Millionen mit sich brachte. Allein im vergangenen Jahr sind bis Oktober mehr als 60 000 Stellen in der Hauptstadt hinzugekommen. Doch diese Erfolgsstory könnte jetzt zumindest gedeckelt werden. Berlin sei abhängig von der Binnenkonjunktur und bleibe daher angewiesen auf Wachstum und Zuzug in die Stadt. Der Mietendeckel sorge aber nicht dafür, dass verstärkt in den Wohnungsbau investiert wird. Das Gesetz schade außerdem dem Klima, weil energetische Sanierungen in vielen Fällen nicht mehr rentieren. Damit verstoße der Mietendeckel gegen die Anforderungen, die die rot-rot-grüne Regierung an die Klimaverträglichkeit ihrer Gesetze stelle. “Widersprüchlicher kann eine Politik nicht sein”, sagt Amsinck.Auch die Berliner Verkehrspolitik – “von einem Konzept würde ich da nicht sprechen” – kommt bei den UVB nicht gut weg. Mit Blick auf das etwas sperrige Berliner “Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt und Nachhaltigkeitsfonds” (Siwana) bemängelt Amsinck, dass die Mittel für Investitionen nur schleppend abgerufen werden. Von der Novelle des Ausschreibungs- und Vergabegesetzes, die der Senat im Dezember auf den Weg gebracht hat, erwartet sich die UVB nicht viel mehr als zusätzliche Bürokratie.Die Ansiedelung von Tesla könnte, sofern sie denn innerhalb des ambitionierten Zeitplans über die Bühne geht, dagegen als “eine Blaupause” dienen, ist Amsinck überzeugt. Wer an den Zeitplan für den BER denkt, sieht hier ein weiteres Damoklesschwert über dem Standort hängen.——Der Mietendeckel treibt zum Jahresauftakt die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg um.——