Das Coronavirus und die EZB

Von Mark Schrörs, Frankfurt Börsen-Zeitung, 3.4.2020 Das Coronavirus bedeutet auch für die Europäische Zentralbank (EZB) eine beispiellose Herausforderung. Das unlängst in einer außerplanmäßigen Notfallsitzung beschlossene Notfallankaufprogramm...

Das Coronavirus und die EZB

Von Mark Schrörs, FrankfurtDas Coronavirus bedeutet auch für die Europäische Zentralbank (EZB) eine beispiellose Herausforderung. Das unlängst in einer außerplanmäßigen Notfallsitzung beschlossene Notfallankaufprogramm PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) im Umfang von mindestens 750 Mrd. Euro bis Jahresende samt Fallenlassen zentraler früherer Selbstbeschränkungen wie bestimmter Kaufobergrenzen bei Staatsanleihen ist dafür ein beredtes Zeichen.Aber auch intern stellt das Virus die Institution vor große Herausforderungen. Inzwischen gibt es im Kreis der rund 3 000 Mitarbeiter bereits zehn nachgewiesene Ansteckungen mit dem Virus. Das bestätigte ein EZB-Sprecher der Börsen-Zeitung auf Anfrage. Der Anteil der Infizierten ist damit mit rund 0,3 % zwar immer noch sehr gering. Aber er liegt merklich höher als etwa der Anteil aller Betroffenen in Hessen an der Gesamtbevölkerung. Laut Robert-Koch-Institut gab es bis gestern im Land gut 3 700 bestätigte Fälle bei gut 6,2 Millionen Einwohnern – das entspricht einem Anteil von 0,06 %.Zumindest aber ist die Gefahr, dass sich EZB-Mitarbeiter gegenseitig anstecken, inzwischen extrem reduziert. Denn nun arbeiten die Angestellten der Notenbank fast ausnahmslos, zu weit mehr als 90 %, von zu Hause aus. Selbst zentrale Bereiche wie die Generaldirektion Marktoperationen, die aktuell bei den deutlich ausgeweiteten Anleihekäufen besonders gefragt ist, arbeiten inzwischen nahezu überwiegend im Home-Office. Laut dem Sprecher laufen alle Prozesse – und die EZB ist voll funktions- und arbeitsfähig.Zumindest ein zentrales Projekt kommt wegen des Virus aber nicht so voran wie erhofft: die groß angelegte Strategieüberprüfung, die erste seit dem Jahr 2003. Gestern teilte die EZB mit, dass der Termin für den Abschluss des Strategiechecks von Ende 2020 auf Mitte 2021 verschoben wird. “In der aktuellen Situation sind die Beschlussorgane und Beschäftigten der EZB sowie der nationalen Zentralbanken ganz darauf konzentriert, die Herausforderungen der Coronavirus-Pandemie zu bewältigen”, so die EZB.Bereits Anfang März – die EZB hatte da erste Vorsichtsmaßnahmen verabschiedet, aber noch keinen bestätigten Fall – gab es in Notenbankkreisen erste Spekulationen, dass der ambitionierte Zeitplan für die Überprüfung wegen der Ausbreitung des Virus nicht zu halten sein würde (vgl. BZ vom 5. März, “Virus lässt Zeitplan für EZB-Strategiecheck wackeln”). Damals hofften die Verantwortlichen aber noch darauf, ausgefallene Termine über den Sommer nachholen zu können. Das hat sich inzwischen aber erledigt. Die internen Diskussionen sind bereits zuletzt nicht mehr so vorangekommen wie geplant, heißt es in Notenbankkreisen.Das liegt aber nicht an den eigenen Krankheitsfällen, sondern primär daran, dass die EZB an vorderster Front kämpft, um mit Maßnahmen wie eben PEPP den wirtschaftlichen Schaden der Pandemie zumindest einzudämmen. Die auch von Neu-EZB-Chefin Christine Lagarde erhoffte Ruhe an der geldpolitischen Front gibt es damit also nicht.——Die EZB verlängert wegen des Virus ihren Strategiecheck. Intern gibt es bereits zehn Fälle. ——