GASTBEITRAG

Das Ende der grenzenlosen Liquiditätsversorgung

Börsen-Zeitung, 17.1.2019 Die Party geht zu Ende. Zehn Jahre lang haben die Notenbanken die Märkte mit einer Kombination aus niedrigen Zinsen und quantitativen Lockerungsmaßnahmen bei Laune gehalten, um die Weltwirtschaft nach der Finanzkrise von...

Das Ende der grenzenlosen Liquiditätsversorgung

Die Party geht zu Ende. Zehn Jahre lang haben die Notenbanken die Märkte mit einer Kombination aus niedrigen Zinsen und quantitativen Lockerungsmaßnahmen bei Laune gehalten, um die Weltwirtschaft nach der Finanzkrise von 2007/2008 wieder in Gang zu bringen. Die Phase unkonventioneller Geldpolitik hat deutlich länger gedauert, als fast alle Experten vorausgesagt hatten – weshalb die globalen Märkte jetzt einen viel stärkeren Nachholbedarf haben als gedacht. In den letzten vier Monaten 2018 scheinen die Märkte endlich aufgewacht zu sein. Mittlerweile haben sie erkannt, dass die Zeit der quasi grenzenlosen Liquiditätsversorgung so gut wie vorbei ist. Wie sich die Weltwirtschaft in einem Umfeld höherer Zinsen schlagen wird, ist unklar – und auch der Grund für die zuletzt höhere Volatilität an den Aktien- und Anleihemärkten.Sehr kritisch beäugt wird vor allem die US-Wirtschaft. Jedoch ist zu erwarten, dass US-Präsident Trumps 1,5 Bill. Dollar schweres Stimulierungspaket von Unternehmens- und Einkommensteuersenkungen das Wachstum noch mindestens ein Jahr lang stützen wird. Das eigentliche Problem ist das stärkere Lohnwachstum in den USA als Folge der angespannten Arbeitsmarktbedingungen. Mit 3,7 % ist die Arbeitslosenquote aktuell so niedrig wie zuletzt im Dezember 1969, während die Löhne im Oktober 2018 im Vorjahresvergleich so stark gestiegen sind wie seit neuneinhalb Jahren nicht mehr. Angesichts dessen dürfte die US-Notenbank Federal Reserve ihre kontrollierten Zinserhöhungen fortsetzen, auch um dem programmierten Anstieg des US-Haushaltsdefizits entgegenzuwirken. Europa schlägt sich durchIn Europa wird sich die Wirtschaft voraussichtlich weiter durchschlagen und ausreichend stark wachsen, um es der Europäischen Zentralbank zu erlauben, die Zinsen in diesem Jahr erstmals seit 2011 zu erhöhen. Indes scheint die Italien-Frage vorerst gelöst. Italiens populistische Regierung war mit ihren Haushaltsplänen für 2019 auf Konfrontationskurs mit der Europäischen Union (EU) gegangen. Die geplante Defizitausweitung wurde als waghalsig angesehen, da Italiens Staatsverschuldung bereits rund 133 % des Bruttoinlandsprodukts erreicht hat und damit deutlich höher ist als in irgendeinem anderen großen Mitgliedstaat der Eurozone. Doch Ende des vergangenen Jahres einigten sich die EU und Italien auf einen neuen Haushaltsplan und wendeten ein Budget-Strafverfahren ab. Die EU-Politiker haben die Kunst des Zusammenstrickens von Last-Minute-Deals perfektioniert – so ist es in der Eurozone schon immer gelaufen.Sich durchschlagen ist auch eine gute Beschreibung für das, was auf der anderen Seite des Ärmelkanals gerade passiert, wo sich die britische Regierung auf den EU-Austritt vorbereitet. Obwohl die Briten die Komplexität des Austrittsprozesses zum Zeitpunkt des Referendums möglicherweise unterschätzt haben, geben sich jetzt nur noch die wenigsten irgendwelchen Illusionen hin, was die vor ihnen liegenden Schwierigkeiten angeht. Der Brexit ist ein Sorgenfaktor, aber die Briten sind anpassungsfähig und werden vermutlich einen gangbaren Weg finden. Letztendlich aber ist es nur eine mittelgroße Insel vor der europäischen Küste – die Welt hat andere, größere Probleme. Argumente für freien Handel Eines der größten Argumente ist der sich zuspitzende Konflikt zwischen den USA und China, den beiden globalen Supermächten. Bei so willkürlichen Machthabern im Weißen Haus wie dem derzeitigen Präsidenten ist schwer zu sagen, ob sich der Handelskonflikt 2019 weiter verschärfen wird oder ob es zu einer Entspannung an der Handelsfront kommen wird. Sicher aber ist, dass ein relativ reibungsloser Welthandel letztlich entscheidend für das wirtschaftliche Wohlergehen der restlichen Welt ist. Insbesondere die Schwellenländer haben sehr stark vom Freihandel profitiert.Daher könnte sich diese neue Welle des Protektionismus kombiniert mit einem wiederaufkeimenden Nationalismus als sehr negativ erweisen. Dessen ungeachtet sind die mittel- bis langfristigen Aussichten für die Schwellenländer aber weiter positiv. 2018 haben sich die Emerging Markets – mit den nennenswerten Ausnahmen Argentinien, Türkei und Venezuela – relativ robust gezeigt, obwohl der steigende Dollar-Kurs Sorgen geschürt hat, dass diese Länder und die dort ansässigen Unternehmen künftig größere Probleme mit der Rückzahlung ihrer erheblichen Dollar-Schulden bekommen könnten. Solange der Dollar etwa auf dem aktuellen Niveau verharrt oder sogar abwertet und der Ölpreis – ein wichtiger Faktor für die Aussichten der Schwellenmärkte – stabil bleibt, könnte dieses Jahr ein gutes für die Emerging Markets werden.—-Edward Bonham Carter, Vice Chairman bei Jupiter Asset Management