WIRTSCHAFT IM BANN DES CORONAVIRUS

"Das ist keine Zeit für Orthodoxie oder Ideologie"

London stellt Firmen 330 Mrd. Pfund zur Verfügung

"Das ist keine Zeit für Orthodoxie oder Ideologie"

hip London – Der britische Schatzkanzler hat ein umfassendes Maßnahmenpaket vorgestellt, um die Auswirkungen der Anstrengungen zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie auf die Wirtschaft zu begrenzen. “Wir werden tun, was auch immer nötig ist, um Arbeitsplätze und Einkommen zu schützen”, sagte Rishi Sunak bei der täglichen Pressekonferenz der Regierung. Man führe Gespräche mit der Luftfahrt- und der Schifffahrtsbranche. Der Staat werde intervenieren und das “in einem Ausmaß, das noch vor wenigen Wochen unvorstellbar gewesen wäre”. Dazu gehören Kredite und Kreditgarantien im Umfang von 330 Mrd. Pfund, um Unternehmen die benötigte Liquidität zu verschaffen – für Großunternehmen in Form von Geldmarktpapieren. Dafür werde man mit der Bank of England eine entsprechende Fazilität einrichten. Jede Firma, die Geld benötige, werde die Möglichkeit bekommen, ab der kommenden Woche einen Kredit zu attraktiven Konditionen zu erhalten. Wenn nötig, werde er mehr Geld zur Verfügung stellen, sagte Sunak.”Das ist keine Zeit für Orthodoxie oder Ideologie”, sagte der Schatzkanzler. “Das ist eine Zeit, mutig zu sein.” Die Gewerbeimmobiliensteuer werde nicht nur für Tante-Emma-Läden, sondern für alle Firmen des Einzelhandels sowie des Hotel- und Gaststättengewerbes ausgesetzt. Hypothekenschuldner können ihre Zahlungen für drei Monate aussetzen, wenn sie nicht über die nötigen Mittel verfügen. Das seien lediglich erste Schritte. In den kommenden Tagen will Sunak weitere Maßnahmen vorstellen. Bis dahin will er unter anderem mit den Gewerkschaften sprechen.Das Außenministerium riet unterdessen britischen Staatsbürgern von allen nicht unbedingt erforderlichen Auslandsreisen ab. Dies gelte ab sofort und sei zunächst auf 30 Tage begrenzt, hieß es aus Whitehall.Das öffentliche Gesundheitswesen NHS wird ab Mittel April keine Routineoperationen mehr durchführen, damit mehr Betten für Covid-19-Patienten zur Verfügung stehen. Patrick Vallance, der oberste wissenschaftliche Berater der Regierung, sagte vor Parlamentariern, dass derzeit einfach nicht die Mittel für massenhafte Tests zur Verfügung stehen. Sobald möglich, soll verstärkt getestet werden. Das sei keine Krise von ein paar Wochen, es gehe um Monate. An der Grippe sterben ihm zufolge in einem normalen Jahr in Großbritannien 8 000 Menschen. Wenn man es schaffen würde, die Zahl der Covid-19-Toten auf 20 000 oder weniger zu begrenzen, wäre das “ein gutes Ergebnis”, sagte Vallance.Die wenig sensible Äußerung ist nicht die erste PR-Panne, die der Regierung bei der Bekämpfung der Pandemie unterlaufen ist. Ausführungen zur “Herdenimmunität” der Berater Johnsons hatten den Eindruck hervorgerufen, man wolle dem Virus freien Lauf lassen, um der Wirtschaft nicht zu schaden. Tatsächlich verfolgt Großbritannien kein grundsätzlich anderes Konzept als die anderen europäischen Staaten, verortet sich auf der Zeitachse drei Wochen hinter Italien. Zuletzt riet die Regierung dazu, wenn möglich von zu Hause aus zu arbeiten und auf den Besuch im Pub zu verzichten.