IM GESPRÄCH: MICHAEL THEURER, FDP-BUNDESTAGSFRAKTION

"Das kann kein Land alleine machen"

Der FDP-Fraktionsvize über gemeinsame industriepolitische Initiativen in der EU

"Das kann kein Land alleine machen"

fed Frankfurt – Wenige Tage vor dem mit Spannung erwarteten Treffen der EU-Finanzminister und knapp zwei Wochen vor dem EU-Gipfel warnt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, Michael Theurer, davor, falsche Schwerpunkte in der Europäischen Union zu setzen. “Ich bin erstaunt, dass sich die Debatte um die Wettbewerbsfähigkeit und die wirtschaftliche Stabilität in Europa viel zu sehr um die Geld- und Fiskalpolitik dreht”, sagt Theurer im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Er fordert auf europäischer Ebene industriepolitische Initiativen. “So werbe ich dafür, statt eines europäischen Finanzministers einen europäischen Wirtschaftsminister einzuführen und zugleich den Ministerrat aufzuwerten, der für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit zuständig ist.” Denn dann, argumentiert der FDP-Wirtschafts- und Finanzexperte, würde Europas Politik endlich an den Ursachen ansetzen. Plädoyer für “digitalen Airbus”Theurer plädiert “für Initiativen, die darin münden könnten, was ich als digitalen Airbus bezeichne – also einen gemeinsamen Vorstoß wie in den Sechzigern, als Europa die Dominanz der Amerikaner im Passagierflugverkehr gekontert hat”. Für den liberalen Bundespolitiker ist dabei vieles vorstellbar. Er zählt einige Beispiele auf: “Eine europäische Digitalagentur, eine europäische Government Cloud, sichere Datennetze in ganz Europa, Glasfaser für alle, 5G für alle.” Dazu brauche es allerdings die Koordination und Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten. “Das kann natürlich kein Land alleine, deshalb muss es Europa gemeinsam machen”, ist Theurer überzeugt.Er könne sich in diesem Zusammenhang “durchaus eine Teilfinanzierung über Steuermittel vorstellen”, führt der frühere Europaabgeordnete aus – unter Einbindung europäischer Industriepartner. Denkbar wäre für ihn außerdem ein europäisches Netzwerk für künstliche Intelligenz.Was derweil das Euro-Krisenmanagement angehe, dessen Reform auf der Tagesordnung der EU-Finanzminister am 21. und 22. Juni ebenso wie der europäischen Regierungschefs bei deren EU-Gipfel eine Woche später steht, mache er sich stark für eine Kombination aus einerseits Staatsinsolvenzordnung und Restrukturierungsmechanismus und andererseits einer Brückenfazilität mit strikter politischer Konditionalität “wie etwa dem ESM oder künftig vielleicht einem Europäischen Währungsfonds”. Das reiche seiner Ansicht nach aus, um die Eurozone stabil zu halten. Eine Vergemeinschaftung in Form einer europäischen Einlagensicherung hingegen betrachtet er “als nicht zielführend und ordnungspolitisch für einen Irrweg”.Mit dieser Positionierung reagiert Theurer auf zwei zentrale Vorschläge, die in Sachen Eurozonen-Reform derzeit auf der politischen Agenda der Finanzminister stehen – nämlich der Umbau des Euro-Rettungsschirms ESM zu einem Europäischen Währungsfonds und der Fahrplan für die “Vollendung der Bankenunion” durch eine Europäisierung der Einlagensicherung. Weitere Schritte hin zu einem EU-Einlagenschutz lehnt er ab, da er eine Vergemeinschaftung als “nachteilig für die Marktstruktur” erachtet – und zwar zulasten von Sparkassen und Volksbanken. “Besser”, so meint Theurer, “wäre ein auf der Grundlage der Subsidiarität aufgebautes System nationaler Einlagensicherungsfonds.” Es würde seiner Einschätzung zufolge im Übrigen die Risiken genauso gut minimieren wie ein einheitliches europäisches Einlagensicherungssystem, wenn es vom Abbau fauler Kredite vor allem in Italien begleitet wäre.Klare Vorstellungen hat Theurer auch mit Blick auf die Außenhandelspolitik. Aus seiner Sicht zeigt nichts die Notwendigkeit der Europäischen Union deutlicher als die sich jetzt abzeichnenden Handelsstreitigkeiten mit den USA. “Der Versuch von US-Präsident Donald Trump, durch bilaterale Verhandlungen die EU auseinanderzutreiben, ist ja zunächst einmal nicht strafbar”, meint Theurer. Überraschend sei allerdings, dass dies die EU so unvorbereitet treffe. Nach seinem Dafürhalten hätten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gemeinsam, eventuell auch zusammen mit EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, in Washington auftreten sollen, um zu zeigen, dass sie sich nicht auseinanderdividieren lassen. Revitalisierung von TTIP”Ich werbe für einen Drei-Punkte-Plan”, erklärt der Liberale – und führt aus: “Als erster Schritt das Angebot der EU an die USA, dass beide Seiten gegenseitig auf Industriezölle verzichten. Zweitens die Revitalisierung des Prozesses für das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP. Und am Ende muss eine Neupositionierung der transatlantischen Partnerschaft stehen, die über die wirtschaftliche Zusammenarbeit hinausgeht.” Die Gegner des Freihandelsabkommens hätten schneller als erwartet vor Augen geführt bekommen, “welchen grundsätzlichen Wert ein umfassendes Handels- und Partnerschaftsabkommen für eine Exportnation wie Deutschland gehabt hätte beziehungsweise haben würde”, unterstreicht Theurer. Gerade Deutschland sei deshalb nun gefordert innerhalb der EU, “denn gerade aus Deutschland kamen ja die meisten kritischen Stimmen, die TTIP in Frage gestellt haben”.