Finanz- und Demografiepolitik

Das Tafelsilber des Staates den Babyboomern entziehen

Das staatliche Finanzvermögen ist zwar weiter gewachsen, wird aber ineffizient verwaltet. Viele Beteiligungen sollten verkauft werden. Anstehende Privatisierungserlöse sollten aber künftigen Generationen übereignet und nicht im Haushalt verbrannt werden.

Das Tafelsilber des Staates den Babyboomern entziehen

Das Tafelsilber des Staates den Babyboomern entziehen

Das staatliche Finanz­vermögen ist zwar weiter gewachsen. Doch es wird ineffizient verwaltet, sein Nutzen verschleudert. Und vieles wäre in privaten Händen besser aufgehoben.

Von Stephan Lorz, Frankfurt

Der Blick allein auf die schwierige Haushaltslage im Bund täuscht. Denn meist ist nur vom gewaltigen Schuldenstand, von jährlich hohen Defiziten und Finanzierungslücken die Rede. Und tatsächlich reichen die Steuereinnahmen jedes Jahr nicht aus, um die geplanten Ausgaben zu decken. Immerhin schafft es der Staat in jüngster Zeit dank Inflation und Schuldenbremse wieder, die Schuldenquote langsam zurückzufahren. Die 60-Prozent-Schwelle ist in Sichtweite.

Aber dem hohen Schuldenstand steht auch ein durchaus beträchtliches Finanzvermögen gegenüber. Es summierte sich für Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie Sozialversicherung samt Extrahaushalten zum Jahresende 2023 auf 1,14 Bill. Euro, wie das Statistische Bundesamt mitteilt. Innerhalb eines Jahres ist es zudem um 0,5% oder 5,3 Mrd. Euro gewachsen. Die Staatsschulden wiederum liegen bei etwa 2,6 Bill. Euro.

Zum Finanzvermögen gezählt werden Beteiligungen an öffentlichen und privaten Unternehmen, eigene Liegenschaften wie Wohnungen, Schlösser oder Grundstücke sowie Anteile an Banken. Der jüngste Verkauf einiger Anteile an der Commerzbank macht ja aktuell die Runde, einhergehend mit Vorwürfen unprofessionellen oder naiven Verhaltens, weil die Politik dabei wohl nicht gewahr war, dass die italienische Großbank Unicredit diese Gelegenheit für eine Übernahme der Bank ausnutzen könnte.

Auch das Finanzvermögen aller öffentlich bestimmten Verkehrsunternehmen im Personennahverkehr (ÖPNV) wurde inzwischen in die Berechnung einbezogen, weil der Bund mit der Finanzierung des Deutschlandtickets diese Unternehmen maßgeblich stützt, sie sich „nicht mehr überwiegend durch ihre Umsatzerlöse“ finanzierten, wie die Statistiker darlegen.

Der Bund allein meldete einen Rückgang seines Finanzvermögens um 1,2% oder 5,3 Mrd. Euro auf 447,5 Mrd. Euro. Diese Entwicklung ist insbesondere durch den Portfolioabbau bei der FMS Wertmanagement bestimmt, die 2010 als Abwicklungsanstalt der in der Finanzkrise gestrauchelten Hypo Real Estate Holding gegründet wurde. Das Finanzvermögen der Länder sank um 3,8% oder 10,5 Mrd. Euro auf 269,0 Mrd. Euro. Die Kommunen steigerten ihr Finanzvermögen um 4,8% auf 246,3 Mrd. Euro. Und das der Sozialversicherung summierte sich auf 180,8 Mrd. Euro − ein Anstieg von 5,8%.

Ökonomen hatten der Politik schon immer geraten, zumindest jene Assets zu verkaufen, die nicht direkt für das staatliche Handeln nötig sind. Bei der Deutschen Telekom und der Deutschen Post ist das fabelhaft gelungen. Bei der Bahn steckt der Staat noch tief drin und hat das Unternehmen durch unterbliebene Investitionen und Fehlentscheidungen im Hinblick auf das Management sogar immer tiefer in die Bredouille hineingeritten.

Geht man davon aus, dass die Rolle des Staates auch darin besteht, für eine moderne und reibungslos funktionierende Infrastruktur zu sorgen, als Vorbedingung für eine erfolgreiche Marktwirtschaft, kann man durchaus für den Verbleib der Bahn beim Staat argumentieren. Aber letztendlich scheint hier das Problem eher zu sein, dass der Politik nicht klar ist, was sie will: in die Vollen gehen bei der Bahn − dann aber mit vielen zusätzlichen Investitionen. Oder privatisieren − dann aber die Rahmenbedingungen so setzen, dass auch hier die nötigen Investitionen getätigt werden und das Gewinninteresse der Investoren akzeptiert wird.

Bei vielen anderen Beteiligungen, die der Staat offensichtlich schlechter bewirtschaftet als Privatinvestoren, würde das heißen: verkaufen. So etwa raus aus den Liegenschaften staatlicher Wohnungen, welche die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben verwaltet. Der Bund stellt darüber seinen Bediensteten vergünstigten Wohnraum zur Verfügung. Das Problem: Die Leerstandsquote liegt bei rund 20%; auf dem freien Markt sind es nur 2,5%. Die Investitionen könnten also nutzbringender bewirtschaftet werden. Trotzdem will der Bund weiter Wohnungen bauen.

Um Lücken im Bundeshaushalt mit Privatisierungserlösen zu stopfen, wäre das Tafelsilber allerdings zu schade − obendrein würde die Wirkung verpuffen. Warum das Geld aber nicht zur Linderung der demografischen Lasten hernehmen? Die Generation, die das Tafelsilber quasi finanziert hat, ist schließlich mitverantwortlich dafür, dass die Sozialversicherungen die veränderte Demografie nicht mehr finanzieren können. Die sich bereits abzeichnenden Beitragserhöhungen treffen vor allem junge Menschen und die künftigen Generationen. Schlimmer: Mit dem neuen Rentenreformpaket stehlen sich die Babyboomer sogar noch mehr aus der Verantwortung; sind sogar die größten Profiteure. Würde man die Privatisierungserlöse dagegen in den geplanten „Generationenkapital“-Fonds einspeisen, der die Altersvorsorge künftig finanziell unterstützen soll, wäre das eine weitaus sinnvollere Verwendung.