LEITARTIKEL

Das unnötige Instrument

Nach einem erneuten Treffen mit seinem französischen Amtskollegen Bruno Le Maire hat sich Finanzminister Olaf Scholz gestern optimistisch gezeigt, dass sich beide Seiten schon in den nächsten Tagen auf ein gemeinsames Konzept für ein...

Das unnötige Instrument

Nach einem erneuten Treffen mit seinem französischen Amtskollegen Bruno Le Maire hat sich Finanzminister Olaf Scholz gestern optimistisch gezeigt, dass sich beide Seiten schon in den nächsten Tagen auf ein gemeinsames Konzept für ein Eurozonen-Budget einigen werden. Überraschend ist dies nicht, liegt doch bereits seit November ein zwischen Berlin und Paris abgestimmtes erstes Papier zu einem solchen Haushalt auf dem Tisch. An der deutschen Verhandlungsvorlage, die im Vorfeld des Le-Maire-Besuchs in Berlin öffentlich wurde, dürfte sich damit vor den weiteren Verhandlungen in der Eurogruppe kaum noch etwas Grundlegendes mehr ändern.Der deutsch-französische Cocktail für die Eurozone besteht damit aus einem wilden Mix aus zwischenstaatlichen Vereinbarungen und Zutaten aus den EU-Strukturen: Das Budget soll an den EU-Haushalt angedockt werden, das Europäische Semester einbinden, sich bei dem künftigen EU-Invest-Programm bedienen dürfen, durch Einzahlungen der Euro-Länder ebenso gefüttert werden wie durch eine noch nicht existierende Finanztransaktionssteuer.Noch schwieriger zu erklären als die Governance dürfte aber der Sinn und Zweck des Ganzen sein: Aus dem Eurozonen-Haushalt sollen Investitionen gefördert werden? Schön. Aber dafür gibt es doch schon den EU-Haushalt mit seinen Strukturfonds. Darüber hinaus gibt es etliche Programme wie den Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI), der ab 2021 in EU Invest aufgehen soll. Natürlich kann man sich sehr hilfreiche Investitionsoffensiven vorstellen, zum Beispiel im Bereich der Verkehrs- oder der Telekommunikationsinfrastruktur. Sollten solche Offensiven aber europäisch gefahren werden, wären ganz andere Summen nötig, als sie derzeit im Gespräch sind. In der Eurogruppe wird ein Eurozonen-Haushalt auf jährlich mindestens 25 Mrd. Euro taxiert. Mit geringeren Mitteln ausgestattet, wäre er völlig wirkungslos. Auf sehr viel mehr dürften sich die Finanzminister aber auch nicht verständigen können. Die jüngsten Diskussionen der Eurogruppe haben wieder einmal deutlich gemacht, wie weit die Positionen auseinanderliegen. Zudem ist kaum erklärbar, warum man eine Handvoll EU-Staaten ausschließen sollte, die die Investitionen ebenso nötig hätten.Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten im Dezember ihre Finanzminister beauftragt, ein “Haushaltsinstrument für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit für das Euro-Währungsgebiet” zu erarbeiten, das auch den Ländern offensteht, die sich schon im offiziellen Vorstadium zu einer Euro-Mitgliedschaft befinden, also im Wechselkursmechanismus (WKM) II. Dies könnten zum Start des Euro-Budgets im Jahr 2021 drei Länder sein: Dänemark, Bulgarien und Kroatien. Damit würden die neuen Mittel nur noch fünf EU-Staaten verwehrt werden, die für gerade einmal 10 % der Wirtschaftskraft der gesamten EU stehen: die Osteuropäer Polen, Tschechien, Ungarn, Rumänien sowie Schweden. Ergibt dies einen Sinn? Und warum sollten sich die fünf auf eine solche Operation einlassen, bei der der verbleibende Teil des “normalen” EU-Etats wohl auch noch beschnitten würde?Ursprünglich sollte der Eurozonen-Haushalt auch noch eine durchaus sinnvolle Stabilisierungsfunktion erhalten. Nach Interventionen der Niederländer, die damit fast die entscheidende Eurogruppen-Sitzung Anfang Dezember noch gesprengt hätten und die übrigen Finanzminister zu einer 16-stündigen Nachtsitzung gezwungen hatten, taucht das Stabilisierungsziel aber nicht mehr auf. Auch Deutschland und Frankreich haben dieses aus ihren Papieren wieder gestrichen. Dabei wäre ein Geldtopf für die Eurozone, der nur einmal gefüllt würde und dann bei kleineren Krisen, asymmetrischen Schocks oder Konjunktureinbrüchen angezapft werden könnte, eine durchaus überlegenswerte Alternative zu einem jährlichen Budget. Es ginge hier auch nicht um neue Transfers, sondern um rückzahlbare Kredite. Eine Gruppe deutscher und französischer Volkswirte hatte sich für eine solche Stabilisierungsfunktion ebenso schon starkgemacht wie auch der Euro-Rettungsschirm ESM oder der Internationale Währungsfonds (IWF).—–Von Andreas HeitkerWeder die Governance noch der Zweck des geplanten Eurozonen-Budgets lassen sich noch vernünftig erklären. Alternativen sind politisch aber nicht durchsetzbar.—–