ENDE DER ALTEN ORDNUNG

Das Wetter kommt vor dem Klima

Im Zeitalter von "America first" und Antiglobalisierungswelle droht Klimapolitik zum Verlierer zu werden

Das Wetter kommt vor dem Klima

Von Stefan Paravicini, New YorkDas Weltklima war politisch noch nie ein Gewinnerthema und die Klimapolitik hat sich schon vor der Ankunft von Populisten wie US-Präsident Donald Trump durch das Bohren sehr dicker Bretter ausgezeichnet. In einem Zeitalter, das sich von der Globalisierung abzuwenden scheint, drohen globale Probleme wie der Klimawandel aber erst Recht in den Hintergrund zu rücken, wie auch die Klimakonferenz im polnischen Kattowitz im Dezember gezeigt hat. Der von Trump bereits kurz nach Amtsantritt avisierte Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen wirkt wie ein Sinnbild – ja, wie ein Fanal: das Klima als einer der größten Verlierer der Antiglobalisierungswelle.Für die internationale Klimapolitik gilt in Zeiten von “America first” oft, dass das Wetter vor dem Klima kommt. Trump bringt das regelmäßig auf den Punkt, wenn er seine Skepsis gegenüber Klimaforschern mit regionalen Wetterereignissen begründet. “Was ist mit der globalen Erwärmung passiert?”, fragte er erst im November über die sozialen Medien, als eine Kältewelle weite Teile der USA überraschte. Die Ursache für Waldbrände in Kalifornien, die im Herbst in wenigen Tagen mehr als 80 Todesopfer forderten, sah er in nachlässiger Forstwirtschaft, für die er seine politischen Gegner verantwortlich machte. Die Ergebnisse des jüngsten Klimaberichts der eigenen Regierung stellte Trump im November mit der Begründung in Frage, dass er an die Schlussfolgerungen der mehr als 300 involvierten Experten nicht glaube.Es ist noch gar nicht lange her, da hat Trump den Klimawandel als eine Erfindung der chinesischen Regierung abgetan. Mittlerweile räumt der US-Präsident eine Veränderung des Klimas ein, lässt sich aber nicht auf die Folgen festlegen. Mehr noch: Als Begründung für die Verschiebung von Effizienzstandards für die Autoindustrie hat die US-Regierung in einem 500 Seiten schweren Bericht zuletzt die düstersten Prognosen der Klimaforscher genutzt. Der Tenor: Eine höhere Effizienz für Autos werde kaum verhindern, dass die mittlere Temperatur bis zum Jahr 2100 um bis zu 3,5 Grad Celsius steigen werde.Bei vielen anderen dagegen wachsen die Sorgen um das Klima und die Folgen des Klimawandels. Dabei geht es nicht nur um die Millionen neuer Flüchtlinge, für die der Klimawandel nach Schätzungen der Vereinten Nationen in den nächsten Jahrzehnten sorgen wird. Es geht auch um handfeste und weit reichende wirtschaftliche Folgen. Immenser SchadenAm Rande der Weltklimakonferenz in Kattowitz forderten 415 institutionelle Adressen, die mehr als 30 Bill. Dollar verwalten, mehr Anstrengungen zur Eindämmung des Klimawandels. Sollte die internationale Staatengemeinschaft nicht reagieren, werde die Temperatur auf der Erde bis zum Jahr 2100 gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter um bis zu 4 Grad Celsius steigen und wirtschaftliche Schäden in der Größenordnung von 23 Bill. Dollar nach sich ziehen. “Das ist permanenter Schaden, der im Bereich des Drei- bis Vierfachen der Auswirkungen der globalen Finanzkrise von 2008 liegt”, rechneten die Assetmanager den Staatenlenkern vor. Ein Anstieg um 4 Grad Celsius entspricht dem Baseline-Szenario im jüngsten Klimabericht der US-Regierung ohne Eindämmung der Klimagasemissionen (siehe Grafik).In Kattowitz gelang es am Ende wenigstens, den 2015 in Paris verabredeten Klimapakt der Weltgemeinschaft zu konkretisieren, mit dem sich die Staaten verpflichtet hatten, die Erderwärmung auf unter 2 Grad zu begrenzen. Lange Zeit hatten die Teilnehmer aber vor allem darüber gestritten, ob man einen im Oktober vorgelegten Bericht des zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaveränderungen der Vereinten Nationen (IPCC), der eindringlich zu einer Begrenzung der Erderwärmung auf unter 1,5 Grad rät, in der Schlusserklärung “begrüßen” oder nur “zur Kenntnis nehmen” sollte.Für die neutrale Variante sprachen sich neben den Ölförderstaaten Saudi-Arabien, Russland und Kuwait auch die Energiesupermacht USA aus, die unter Trump den Pariser Klimavertrag zum nächstmöglichen Zeitpunkt 2020 aufkündigen will. Weil es zu der Formulierung mit Blick auf den Bericht des IPCC keine Einigung gab, wurde die Passage ganz aus der Abschlusserklärung der Konferenz gestrichen. Die Jahrhundertaufgabe Klimaschutz wird sich so nicht meistern lassen.