Daten heizen Spekulation auf EZB-Lockerung an

Deutsche Inflation verharrt deutlich unter Zielmarke - Stimmung in Euro-Wirtschaft verschlechtert sich

Daten heizen Spekulation auf EZB-Lockerung an

ms Frankfurt – Neue Inflations- und Wirtschaftsdaten aus dem Euroraum haben die Diskussion über eine erneute geldpolitische Lockerung der Europäischen Zentralbank (EZB) befeuert. Während die Inflation in Deutschland im Juni mit geschätzt 1,3 % deutlich unterhalb des EZB-Ziels von knapp 2 % verharrte, sank sie in Spanien mit 0,6 % sogar auf den niedrigsten Stand seit Ende 2016. Zudem fiel die Stimmung in der Euro-Wirtschaft im Juni fast auf ein Dreijahrestief.EZB-Präsident Mario Draghi hatte vergangene Woche die Tür für zusätzliche expansive Maßnahmen weit aufgemacht. Beim geldpolitischen EZB-Forum in Sintra hatte er gesagt, dass “ohne Besserung” des Ausblicks für Wachstum und Inflation weitere Stimuli “nötig” seien. Bei der Sitzung Anfang Juni hatte der EZB-Rat erst die Perspektive für Zinsanhebungen bis weit ins Jahr 2020 hinein vertagt und neue Geldspritzen für die Banken finalisiert.Die gestern veröffentlichten Daten dürften die Euro-Hüter nun tendenziell darin bestärken, den Kurs sogar weiter zu lockern – zumindest jene Notenbanker, die aktuell weiteres Handeln für nötig erachten. “Für die EZB bedeutet das alles: tendenziell noch mehr Lockerung”, sagte gestern auch Sebastian Wanke, Inflationsexperte der KfW.In Deutschland verharrte die nach EU-Standards berechnete Inflationsrate im Juni wie von Volkswirten erwartet bei 1,3 %. Das teilte Destatis gestern in einer ersten Schätzung mit. Die EZB strebt mittelfristig unter, aber nahe 2 % an. Im Juni wurde eine Beschleunigung der Preise für Lebensmittel und Dienstleistungen durch eine Verlangsamung der Energiekosten ausgeglichen. In nationaler Rechnung legte die Teuerung dagegen von 1,4 % im Mai auf 1,6 % zu. Ökonomen zufolge spielten dabei vor allem höhere Preise für Pauschalreisen in den vergleichsweise späten Pfingstferien und zum Beginn der Sommerreisesaison eine Rolle. Für die nächsten Monate zeichnet sich aber ein deutlicher Rückgang ab.In Spanien legten die Preise im Juni derweil so schwach zu wie seit etwa zweieinhalb Jahren nicht mehr. Der für EU-Zwecke berechnete Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) betrug 0,6 %, wie das Statistikamt INE mitteilte. Das ist die niedrigste Rate seit November 2016. Analysten hatten 0,7 % erwartet.Am heutigen Freitag legt Eurostat eine erste Schätzung für den Euroraum als Ganzes vor. Im Mai hatte die Teuerung von 1,7 % im April deutlich auf 1,2 % nachgegeben. Für Juni erwarten Beobachter im Mittel einen unveränderten Wert. Im besonderen Fokus steht die Kernrate ohne Energie und Lebensmittel.Während die neuen Preisdaten die Einschätzung einer weiter kaum Fahrt aufnehmenden Teuerung bestätigten, untermauerten neue Wirtschaftsdaten die jüngste Eintrübung der Euro-Konjunktur. Der Economic Sentiment Indicator (ESI) der EU-Kommission fiel gegenüber dem Vormonat um 1,9 Punkte auf 103,3 Zähler, wie die Behörde gestern mitteilte. Das ist der tiefste Stand seit August 2016. Experten hatten im Mittel mit 104,8 Punkten gerechnet. Der ESI misst die Stimmung in Unternehmen und privaten Haushalten. Zugleich trübte sich auch das Geschäftsklima (BCI) ein. Der Indikator fiel von 0,30 auf 0,17 Punkte. Das ist der tiefste Stand seit Oktober 2014. Analysten hatten nur einen Rückgang auf 0,27 Punkte erwartet.Marktteilnehmer und Volkswirte gehen inzwischen nahezu sicher davon aus, dass die EZB bei ihrer Sitzung im September ihren Einlagensatz von aktuell -0,4 % erneut senken und einen solchen Schritt bei der nächsten Sitzung am 25. Juli kommunikativ vorbereiten wird. Eine gestern veröffentlichte Bloomberg-Umfrage kommt zu ganz ähnlichen Ergebnissen wie zuvor bereits eine Erhebung von Reuters.Im Raum steht auch eine Wiederaufnahme der breiten Staatsanleihekäufe (Quantitative Easing, QE). Dafür müsste die EZB allerdings wohl selbst gesetzte Grenzen aufweichen. Laut Draghi ist die EZB dazu falls nötig in der Lage, und in der EZB werden bereits Optionen diskutiert. Eine Abkehr gilt aber zugleich als juristisch durchaus heikel.