LEITARTIKEL

Daumen drücken

Am Samstag ist es so weit. US-Präsident Donald Trump kann den 100. Tag im Kalender des Weißen Hauses streichen, sofern er am Wochenende nicht wieder Golf auf seinem Sommersitz in Florida spielt. Es ist traditionell der Zeitpunkt für die erste Bilanz...

Daumen drücken

Am Samstag ist es so weit. US-Präsident Donald Trump kann den 100. Tag im Kalender des Weißen Hauses streichen, sofern er am Wochenende nicht wieder Golf auf seinem Sommersitz in Florida spielt. Es ist traditionell der Zeitpunkt für die erste Bilanz einer Präsidentschaft, jedenfalls seit Franklin D. Roosevelt, der im März 1933 mit dem Versprechen antrat, die Auswirkungen der großen Depression zu lindern und dazu in den ersten 100 Tagen umfangreiche Gesetzesvorhaben auf den Weg brachte. Trump ist das Datum nicht so wichtig. Ein “lächerlicher” Anlass sei die Marke, erklärte Trump in den vergangenen Tagen all jenen, die ihn daran erinnern wollten, was er sich bis hierher vorgenommen hatte.In seinem Wahlprogramm stellte Trump für die ersten 100 Tage unter anderem die Umsetzung einer Gesundheitsreform und einer Steuerreform in Aussicht, wovon die Administration auch nach den gestern mit großem Tamtam erneuerten Plänen weiter entfernt ist als noch vor 14 Wochen. Immerhin hat der Präsident nie erklärt, wann er beginnen würde, die Tage herunterzuzählen. Vielleicht waren auch die ersten 100 Donnerstage gemeint. Bis Ende des nächsten Jahres könnten die Reformen jedenfalls schon ein ganzes Stück weiter, ja vielleicht sogar bereits am Ziel angelangt sein. Gerade so, wie in den nächsten Tagen der Flugzeugträger U.S.S. Carl Vinson in den Gewässern vor der koreanischen Halbinsel erwartet wird, nachdem Trump bereits vor zwei Wochen erklärt hatte, dass die USA eine “Armada” Richtung Nordkorea entsandt hätten, die zu diesem Zeitpunkt aber in die entgegengesetzte Richtung nach Australien unterwegs war.Natürlich spielt Trump die Bedeutung der 100-Tage-Marke vor allem deshalb herunter, weil er weiß, dass die bisherige Bilanz nur hartgesottene Anhänger überzeugen kann. An mangelndem Fleiß hat es nicht gelegen. Neben sieben Wochenenden in Florida mit vielen Runden auf dem Golfplatz hat Trump in den ersten 100 Tagen nicht nur 460 Kurznachrichten über die sozialen Medien verschickt, sondern auch 25 Dekrete und 28 Gesetze unterzeichnet, acht Pressekonferenzen gegeben und 13 Staatschefs empfangen, für die es beim anschließenden Fototermin mal einen unerwartet langen und mal gar keinen Handschlag gab.Die Probleme des Weißen Hauses mit großen gesetzgeberischen Vorhaben rühren daher, dass Trump und seine Entourage nicht nur wenig Erfahrung im Umgang mit dem politischen Apparat mitbringen, sondern auch noch mächtig stolz darauf sind. Genau dafür wurde Trump schließlich gewählt. Der Immobilienunternehmer hat versprochen, den Sumpf in Washington trockenzulegen und an der Grenze zu Mexiko eine Mauer zu bauen. Jetzt muss er in der Hauptstadt dicke Bretter bohren und in der Wüste von Arizona und New Mexico auf den Geldregen warten, mit dem die Mauer bezahlt werden soll.Der Präsident macht Bekanntschaft mit seinem Amt und noch ist nicht ausgemacht, ob aus dieser Verbindung etwas werden kann. Immerhin gibt es erste Lernerfolge. Sei es bei der Besetzung des Nationalen Sicherheitsrats, der zunächst unter der Leitung des islamophoben Heißsporns Michael Flynn stand und in dem jetzt mit Herbert Raymond McMaster ein brillanter Kopf den kühleren Ton angibt. Sei es im Umgang mit China, über das sich Trump aus erster Hand bei Staatschef Xi Jinping erkundigte und “nach zehn Minuten” erkannte, dass die Sache mit Nordkorea nicht ganz so einfach ist, was offenkundig auch die Frage von Währungsmanipulationen mit einschließt. Sei es mit Blick auf die Nafta, die Nato oder die EU, die schon als “Desaster”, als “obsolet” und als Auslaufmodell galten, bis Trump sich von mäßigenden Stimmen in seinem Stab zumindest vorläufig eines Besseren belehren ließ.Ob es nun Tochter Ivanka war, die hier einen Einfluss hatte, wie sie ihn auch vor dem Raketenangriff auf Syrien geltend gemacht haben soll, oder Schwiegersohn Jared Kushner, der in Trumps Beraterhierarchie an der Spitze steht, sei einmal dahingestellt. “Nur wer keine Kinder hat, findet Nepotismus schlecht”, hat Donald Trump einmal in einem Interview zu Protokoll gegeben. Wer die Dinge nicht so locker sieht, wird auch in den nächsten 1 361 Tagen seine liebe Not mit dem US-Präsidenten haben. Die Häme über seine Fehltritte wird nicht so lange tragen. Nach den ersten 100 Tagen heißt es nicht nur für Investoren, die die gestern bekräftigten Pläne für eine Steuerreform bereits zu großen Teilen eingepreist haben: Daumen drücken, dass die Amateurtruppe im Weißen Haus bald die Bedienungsanleitung für das Amt findet.——–Von Stefan ParaviciniDie Zwischenbilanz der US-Präsidentschaft von Donald Trump fällt durchwachsen aus. Noch hat er die Bedienungsanleitung für sein neues Amt nicht gefunden.——-