DIE BAUSTELLEN DER EZB

Debatte über digitalen Euro nimmt Fahrt auf

Internationale Notenbanken gründen Arbeitsgruppe

Debatte über digitalen Euro nimmt Fahrt auf

Von Mark Schrörs, FrankfurtFür EZB-Präsidentin Christine Lagarde ist die Sache klar: Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte in der Diskussion über Digitalwährungen und digitales Zentralbankgeld ganz vorn mitmischen, statt hinterherzulaufen, sagte sie nach ihrer ersten Zinssitzung Mitte Dezember – “ahead of the curve” sein, wie sie es formulierte. Es gebe in der Öffentlichkeit eindeutig eine Nachfrage. “Auf die müssen wir reagieren”, sagte sie.Damit wird die Debatte über einen digitalen Euro nun zwar wohl nicht offizieller Teil der jetzt beginnenden Überprüfung der EZB-Strategie (siehe Text unten auf dieser Seite). Die Diskussion dürfte sich gleichwohl parallel zu dieser Überprüfung fortsetzen und an Intensität eher zulegen – und das nicht nur wegen der Affinität von Lagarde zu dem Thema. Libra hat Diskussion verändertIn den vergangenen Monaten hat vielmehr weltweit die Diskussion über die digitale Zukunft des Geldes zugenommen – gerade auch in den Notenbanken. Bitcoin hatten viele Währungshüter noch als reines Spekulationsobjekt für Zocker abgestempelt. Die Pläne für die Facebook-Währung Libra haben sie dann aber aufgeschreckt – wegen der potenziellen Implikationen für das Finanzsystem, aber auch wegen des Angriffs auf das staatliche Geldmonopol.Dazu passend wurde gestern bekannt, dass sechs Notenbanken zusammen mit der Zentralbank der Zentralbanken (BIZ) eine Arbeitsgruppe zum Thema digitales Zentralbankgeld gegründet haben. Konkret sind das die EZB und die Notenbanken aus Japan, Großbritannien, Kanada, Schweden und der Schweiz. Es gehe darum, Erfahrungen zu teilen, während die Notenbanken in ihren jeweiligen Zuständigkeitsgebieten den bestehenden Bedarf einschätzten.Speziell in der EZB nimmt das Thema an Gewicht zu – und das nicht nur wegen Lagardes Aussagen. Kurz vor diesen hatte die EZB in einem Dokument für ein Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel klargemacht, dass sie bereit sei, notfalls eine eigene digitale Währung zu entwickeln – für den Fall, dass es dem Privatsektor nicht gelinge, grenzüberschreitende Zahlungen schneller und billiger durchzuführen (vgl. BZ vom 6.12.2019). So wäre zudem die Öffentlichkeit weiterhin in der Lage, Zentralbankgeld zu verwenden, falls der Bargeldgebrauch sinke.Anfang des Jahres sorgte dann ein Arbeitspapier von Ulrich Bindseil, Generaldirektor für Marktinfrastrukturen und Zahlungsverkehr bei der EZB, für Aufsehen, in dem er quasi eine Art Blaupause entwarf. Im Kern schlägt er ein zweistufiges Kontensystem mit einem Gehaltskonto für den Zahlungsverkehr und einem unverzinsten für Überschussliquidität vor (vgl. BZ vom 7. Januar).Und zwischenzeitlich hatte noch das scheidende EZB-Direktoriumsmitglied Benoît Coeuré aufhorchen lassen, als er anregte, digitales Zentralbankgeld direkt an die Euro-Bürger auszugeben – und das auch geldpolitisch begründete. “Indem er zum Kern der Entscheidungen der Verbraucher geht, wäre dieser Ansatz wahrscheinlich effektiver und schneller bei der Stimulierung von Nachfrage und Inflation, und er könnte weniger negative Nebenwirkungen haben”, so Coeuré (vgl. BZ vom 19.12.2019). Der Franzose leitet nun den Innovation Hub der BIZ und wird Co-Vorsitzender der neuen Arbeitsgruppe der Notenbanken.Wenngleich all diese Aussagen und Papiere noch nicht als zusammenhängende Strategie erscheinen und keine baldige Einführung eines digitalen Euro zu erwarten ist, belegen sie doch, wie die Debatte Fahrt aufnimmt. Das gilt umso mehr, als die Politik im Euroraum Druck macht – allen voran Frankreich. Welche Rolle für die Banken?Tatsächlich ist das jenseits aller technischen Details die zentrale Frage bei dem Thema: Soll ein möglicher digitaler Euro in der Zukunft für alle Bürger verfügbar sein, so dass diese einen direkten Zugang zur EZB-Bilanz haben – oder bleibt es bei dem privilegierten Zugang der Banken?In der EZB ist nun eine Taskforce eingesetzt, die laut Lagarde bis Mitte 2020 einen Bericht vorlegen soll. Das wäre noch vor dem angepeilten Abschluss der Strategieüberprüfung.