Debatte über EZB-Rolle beim Klimawandel
ms Frankfurt – Wenn es um die EZB-Strategieüberprüfung geht, werden in Notenbankkreisen viele Themen kontrovers diskutiert. Ganz besonders gilt das aber für den Klimawandel beziehungsweise genauer: die Rolle, die die Europäische Zentralbank (EZB) im Kampf gegen die Erderwärmung spielen soll. Kein Wunder also, dass das Thema auch beim diesjährigen Sintra-Forum der EZB gestern mit einem eigenen Panel bedacht wurde. An Marktneutralität gerütteltEs ist insbesondere EZB-Präsidentin Christine Lagarde, die auf eine aktivere Rolle der EZB im Kampf gegen den Klimawandel dringt. Sie sieht die Notenbank dabei auch nicht nur als Bankenaufseherin oder im Bereich der Risikomodelle und des Rahmens der von ihr akzeptierten Sicherheiten gefragt. Sie hat auch schon erkennen lassen, dass sie eine Sympathie dafür hat, die EZB-Anleihekäufe “grüner” auszurichten. Ganz in dem Sinne hat sie auch schon wiederholt das Prinzip der Marktneutralität in Zweifel gezogen, das bislang einer Bevorzugung grüner Anleihen bei den Käufen entgegensteht (vgl. u. a. BZ vom 15. Oktober).Lagarde weiß bei ihrem Ansinnen große Teile der Öffentlichkeit hinter sich. Bei der ersten großen Debatte der EZB mit Vertretern der europäischen Zivilgesellschaft im Zuge der Strategieüberprüfung (“ECB listens”) im Oktober war fast unisono die Meinung, dass die EZB aktiver sein müsse – auch mit dem Instrument Anleihekäufe. Unmittelbar vor diesem Event hatten Greenpeace und andere eigens eine Studie veröffentlicht, nach der die Ausgestaltung der Käufe den Klimaschutz “torpediere”, weil überproportional “braune” Titel gekauft würden.Weitere Argumentationshilfe erhielt Lagarde gestern durch das Researchpapier, das Frederick van der Ploeg von der Universität Oxford in Sintra vorstellte. Van der Ploeg wirbt darin für eine aktivere und energischere Rolle der Zentralbanken bei der Entwöhnung der Volkswirtschaften von fossilen Brennstoffen. Die Klimapolitik müsse ein Kerninteresse der Finanzaufsichtsbehörden sein und stelle eine treuhänderische Verantwortung dar. Van der Ploeg verweist da etwa auf Klimastresstests für die Banken.Der Wissenschaftler argumentiert aber auch, dass Zentralbanken durch ihre Anleihekaufprogramme grüne Investitionen fördern sollten. Diese sollten klimafreundlichere Anlagen begünstigen oder zumindest Verzerrungen in Richtung einer “Überrepräsentation kohlenstoffintensiver Sektoren vermeiden”. Denn das laufe auf eine implizite Subvention für diese Sektoren hinaus.Und van der Ploeg hat noch einen radikalen Vorschlag: “Wenn die Klimapolitik zu leicht von Lobbys vereitelt wird, sollte man über die Einrichtung einer unabhängigen Kohlenstoff-Zentralbank nachdenken”, schreibt er in seinem Papier – mit der ausdrücklichen Hauptaufgabe, “sicherzustellen, dass die Temperatur und die kumulierten Emissionen unter ihren Obergrenzen bleiben”. Noch mehr Rückendeckung bei dem Thema bekommt Lagarde im Dezember durch einen Wechsel im EZB-Direktorium. Der Niederländer Frank Elderson, der den Luxemburger Yves Mersch ersetzt, setzt sich seit vielen Jahren leidenschaftlich für den Umweltschutz ein und sieht eine zentrale Rolle für Aufseher und Zentralbanker im Kampf gegen die Klimakrise (vgl. BZ vom 7. Oktober). Widerstand im RatOb es aber am Ende auch auf eine “grüne Geldpolitik” hinausläuft? Die Skepsis bei einigen Notenbankern im EZB-Rat ist weiter groß. “Wir brauchen grüne Anleihen, aber ihr Erfolg darf nicht nur von der Unterstützung der EZB abhängen”, sagte vor wenigen Tagen etwa Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann. Und auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann warnte im Oktober im Interview der Börsen-Zeitung vor einer Überforderung der Geldpolitik (vgl. BZ vom 8. Oktober).