Geldpolitik

Debatte über EZB-Kurs verschiebt sich

Die Debatte über den EZB-Zinskurs dreht sich zunehmend auch um die Abwägung, wie weit die Zinsen noch steigen sollen, und wie lange sie dann auf diesem Niveau gehalten werden. Die Meinungen dazu gehen im EZB-Rat weit auseinander.

Debatte über EZB-Kurs verschiebt sich

Debatte über EZB-Kurs verschiebt sich

Diskussion über Dauer der Zinspause nach Ende der Erhöhungen nimmt Fahrt auf

mpi/ms Frankfurt

Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau erwartet trotz der weiterhin hohen Inflationsraten in vielen Euro-Ländern ein baldiges Ende des Straffungskurses der Europäischen Zentralbank (EZB). Wenn dieses erreicht sei, müsse die Notenbank eine Weile auf dem Niveau verharren, um die Inflation wieder auf den Zielwert von 2% zu senken, sagte das EZB-Ratsmitglied am Dienstag dem Radiosender Franceinfo. Bis übernächstes Jahr sei das Inflationsziel erreicht, versprach der Franzose. „Wir gehen davon aus, dass die Inflation im Jahr 2025 wieder bei 2% liegen wird. Dazu verpflichte ich mich heute.“

Die Debatte über den EZB-Zinskurs dreht sich zunehmend auch um die Abwägung, wie weit die Zinsen noch steigen sollen und wie lange sie dann auf diesem Niveau gehalten werden. Italiens Notenbankchef Ignazio Visco hatte vor wenigen Tagen sogar mit einer unmittelbaren Zinspause geliebäugelt und argumentiert, dass die Inflation auch weiter gedrückt werden könne, wenn dieses Niveau dann länger gehalten werde. Andere Notenbanker halten es hingegen für einen Fehler zu denken, es reiche ein niedrigerer Zinshöchststand (Peak), wenn dafür versprochen werde, dieses Niveau entsprechend lange nicht anzutasten.

In diese Debatte hinein spielt auch die Frage, wie sich Spekulationen an den Märkten auf baldige Zinssenkungen zerschlagen lassen. Eine klare Option sind Signale für weiter steigende Zinsen. Allerdings gibt es nun auch zunehmend das Argument, dass mit jeder weiteren Zinserhöhung das Risiko steige, dass sich diese als Fehler erweist – und bald rückgängig gemacht werden muss. So äußerte sich unlängst etwa Erik Nielsen, Ökonom bei Unicredit. Er sprach sich mit diesem Argument gegen eine weitere EZB-Zinserhöhung im September aus.

Auch Goldman Sachs kommt in einem neuen Papier zu dem Ergebnis, dass eine Leitzinspolitik, die über einen längeren Zeitraum einen niedrigen Höchststand hält, ein wünschenswerteres Straffungsmuster darstellen könnte als ein höherer Höchststand, auf den rasche Zinssenkungen folgen würden. Eine solche Leitzinspolitik sei in der Praxis jedoch schwer umzusetzen, da die Märkte dazu neigten, Zinssenkungen einzupreisen, wenn sich die Zentralbanken einem Peak nähern, so Jari Stehn, Europa-Chefvolkswirt bei Goldman.

Bundesbankchef Joachim Nagel betonte bereits am Montag bei einer Veranstaltung in Erfurt, dass es wichtig sei, die Inflationserwartungen zügig zu senken. Wenn der EZB dies durch rasches Handeln gelinge, könnte die Inflation auch ohne einen großen wirtschaftlichen Abschwung wieder den Zielwert der Zentralbank erreichen. Eine Befürchtung der Vertreter einer lockeren Geldpolitik im EZB-Rat, der sogenannten Tauben, ist, dass die gestiegenen Kreditkosten durch die Zinserhöhungen zu einer Rezession führen und die Auswirkungen der bisherigen Zinserhöhungen sich zudem noch nicht voll entfaltet hätten. Nagel wies in Erfurt hingegen auf die aus seiner Sicht positiven Effekte der höheren Finanzierungskosten hin. Als die Zinsen niedrig waren, habe es ungesunde Preisentwicklungen gegeben, so Nagel. Das heutige Preisniveau sei ökonomisch realistischer.

Preistreiber Lebensmittel

Wie hoch der Inflationsdruck weiterhin ist, verdeutlichten derweil die jüngsten Daten aus Deutschland. Die Verbraucherpreise stiegen nach harmonisierter Berechnungsmethode (HVPI) im Juni um 6,8%. Damit bestätigte das Statistische Bundesamt am Dienstag die Schnellschätzung. Somit ist die Teuerung wieder gestiegen, statt zu sinken – im Mai hatte sie noch bei 6,4% gelegen. Neben Sondereffekten wegen des 9-Euro-Tickets und eines Tankrabatts haben steigende Nahrungsmittelpreise die Inflation angeheizt.

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