Debatte über Waffen für Ukraine hält an
BZ Frankfurt
Vor dem Hintergrund der einsetzenden Materialschlacht im Osten der Ukraine schwelt in Deutschland, aber auch international die Debatte über zusätzliche Waffenlieferungen an die Ukraine weiter. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) stellte bei einem Besuch in der lettischen Hauptstadt Riga der Ukraine und den baltischen Staaten weitere Militärhilfen in Aussicht. In der Heimat nahm der Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu. US-Präsident Joe Biden wird laut der Nachrichtenagentur Reuters in den kommenden Tagen ein weiteres Militärhilfepaket für die Ukraine ankündigen.
Russland intensiviert seine Angriffe in der Ostukraine und will den Fall der Stadt Mariupol erzwingen. Aus der seit Wochen belagerten, stark zerstörten südostukrainischen Stadt gelang es offenbar, Dutzende Zivilisten mit einem Konvoi in Sicherheit zu bringen. In Mariupol harren auf dem Gelände des Stahlwerks Asowstal seit Tagen ukrainische Truppen und nach ukrainischen Angaben auch Zivilisten aus. Mehrere russische Ultimaten zur Kapitulation sind verstrichen. In Kiew traf EU-Ratspräsident Charles Michel überraschend zu einem Besuch ein.
Baerbock sagte zum Auftakt einer dreitägigen Reise ins Baltikum, Lieferungen von gepanzerten Fahrzeugen an die Ukraine seien „für uns kein Tabu, auch wenn es in der deutschen Debatte manchmal so klingt“. Allerdings gäben dies die Bestände der Bundeswehr derzeit nicht her. Auch sei nicht ausgeschlossen, dass Deutschland seinen militärischen Beitrag zur Sicherung der Nato-Ostflanke in den baltischen Staaten weiter aufstocken werde. „Wenn es mehr braucht, werden wir auch hier im Baltikum mehr tun.“
Klar ist: Die Bundesregierung wird der Ukraine weitere Waffen finanzieren, aber nicht mehr aus Beständen der Bundeswehr abgeben. „Die Bundeswehr hat alles geliefert, was sie entbehren kann“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Man sehe keine Möglichkeiten mehr, aus den Beständen der Bundeswehr Waffen an die Ukraine zu liefern. Deshalb müsse man andere Wege etwa über die Finanzierung von Käufen bei der Rüstungsindustrie gehen, fügte er hinzu. Hebestreit verwies auf Gespräche mit der Ukraine und der Industrie, was geliefert werden soll und kann. Es gebe keine Verzögerung von Waffenlieferungen von deutscher Seite, betonte er. Die Bundesregierung stelle mehr als 1,4 Mrd. Euro für Waffenlieferungen für die Ukraine zur Verfügung. Das Geld stammt aus den zusätzlichen 2 Mrd. Euro für Waffenkäufe, die die Bundesregierung beschlossen hat.
Bundeskanzler Scholz zufolge soll es Waffenlieferungen aus Bundeswehrbeständen nicht mehr geben, jedenfalls nicht in größerem Umfang. „Hier müssen wir inzwischen erkennen, dass die Möglichkeiten, die wir haben, an ihre Grenzen stoßen“, hatte Scholz am Dienstag gesagt. Er wird seit Tagen für Zögerlichkeit in Sachen Waffenlieferungen kritisiert – auch aus den Reihen der Koalitionspartner Grüne und FDP.
Auch am Mittwoch ebbte Kritik am Kanzler nicht ab. Dem Grünen-Politiker Anton Hofreiter und der FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann geht Scholz’ Rüstungsstrategie nicht weit genug. Der ukrainische Botschafter in Deutschland Andrij Melnyk sagte, die Regierung in Kiew habe Scholz’ Ankündigungen vom Vortag „mit großer Enttäuschung und Bitterkeit“ zur Kenntnis genommen.