GASTBEITRAG

Den USA droht keine baldige Rezession

Börsen-Zeitung, 27.2.2016 Spätestens seit Oktober 2015, dem Monat, in dem der US-Einkaufsmanagerindex ISM, ein viel beachtetes Konjunkturbarometer für die gesamtwirtschaftliche Lage, unter die Marke von 50 Punkten rutschte, wird wieder intensiv...

Den USA droht keine baldige Rezession

Spätestens seit Oktober 2015, dem Monat, in dem der US-Einkaufsmanagerindex ISM, ein viel beachtetes Konjunkturbarometer für die gesamtwirtschaftliche Lage, unter die Marke von 50 Punkten rutschte, wird wieder intensiv darüber diskutiert, ob sich die USA nicht schon in einer Rezession befinden oder kurz vor einer solchen stehen.Unbestritten leidet das verarbeitende Gewerbe seit Mitte 2014 im Wesentlichen unter zwei Entwicklungen: dem starken Dollar und dem Ölpreisverfall. Die amerikanische Währung hat seit Juli 2014 handelsgewichtet um 25 % aufgewertet. Ähnlich starke Aufwertungsphasen gab es zuletzt Anfang bis Mitte der 1980er Jahre sowie Mitte bis Ende der 1990er Jahre. Solch deutliche Aufwertungsschübe führen ohne Zweifel zu einem erheblichen Verlust preislicher Wettbewerbsfähigkeit. Zusätzlich wächst der Druck durch ausländische Konkurrenz. Ölindustrie mit ProblemenSeit Anfang 2015 hat außerdem die Ölindustrie ihre Investitionen angesichts des Verfalls des Rohölpreises drastisch zusammengestrichen. Hierunter leiden insbesondere diejenigen Branchen des verarbeitenden Gewerbes, die als Zulieferer stark von der Ölindustrie abhängen. Es darf aber nicht übersehen werden, dass das verarbeitende Gewerbe nur etwa 12,5 % an der Wirtschaftsleistung der USA ausmacht.Anders als im verarbeitenden Gewerbe hat sich Stimmung im Dienstleistungssektor bis zuletzt recht gut gehalten. Der ISM-Index für das nichtverarbeitende Gewerbe, der neben dem Dienstleistungsbereich auch die Bauwirtschaft sowie Versorgungsunternehmen abdeckt, ist in den letzten Monaten zwar ebenfalls zurückgegangen, liegt mit 53,5 Punkten allerdings noch immer sehr nahe an seinem langjährigen Durchschnitt von 54,2 Punkten. Zum einen dürfte der starke Dollar die Geschäftsaussichten für Dienstleistungs- und Bauunternehmen kaum belasten. Diese Branchen machen den überwältigenden Teil ihres Geschäfts in den USA und müssen darüber hinaus quasi keine ausländische Konkurrenz fürchten. Konsum angekurbeltDer stark gesunkene Ölpreis wirkt hier zum anderen wie ein Konjunkturprogramm. Die Konsumenten sparen an der Tankstelle und beim Heizen aufgrund der gefallenen Preise Hunderte Milliarden Dollar, die sie für andere Konsumzwecke ausgeben können.Der Anteil der vom ISM-Index für das nichtverarbeitende Gewerbe abgedeckten Wirtschaftszweige an der amerikanischen Wirtschaftsleistung ist mit 72,5 % fast sechsmal so hoch wie der des verarbeitenden Gewerbes. Wie Ende der 1990 erEine ähnliche Entwicklung wie aktuell – deutliche Diskrepanz zwischen den ISM-Indizes für das verarbeitende Gewerbe und das nichtverarbeitende Gewerbe – gab es Ende der 1990er Jahre schon einmal. Die Stimmung im verarbeitenden Gewerbe litt damals wie heute unter einem starken Ölpreisrückgang sowie einer kräftigen Aufwertung des Dollar. Ebenso wie heute gab es zudem erhebliche Verwerfungen in einigen sich entwickelnden Volkswirtschaften (Asienkrise, Russlandkrise).Eine Folge dieser Entwicklungen war eine deutliche Verschlechterung der Außenhandelsbilanz. So verlangsamte sich das Exportwachstum in den Jahren 1998 und 1999 drastisch, während die Importe weiter zweistellig wuchsen. Dem gegenüber legte der private Konsum ab Mitte 1997 im Mittel signifikant stärker zu als in den Jahren zuvor und kompensierte so den deutlich negativeren Außenbeitrag. Eine ganz ähnliche Entwicklung lässt sich auch heute beobachten. In eine Rezession rutschte die US-Wirtschaft damals nicht ab. Keine VorbotenIn früheren Konjunkturzyklen war es stets so, dass die Dynamik der Beschäftigungszunahme bereits einige Zeit vor Beginn einer Rezession deutlich nachgelassen hatte. In der Regel hat sich der Beschäftigungsanstieg schon rund neun Monate vor dem Beginn einer Rezession spürbar abgeschwächt. Aktuell ist das jedoch nicht der Fall. Der Beschäftigungsanstieg bewegt sich seit zwei Jahren in einer Bandbreite grob zwischen 0,15 % und 0,20 % pro Monat.Gegen eine (baldige) Rezession in den USA sprechen auch die Wohnungsbauinvestitionen. Ähnlich wie bei der Beschäftigung schwächt sich deren Dynamik bereits geraume Zeit im Vorfeld einer Rezession ab. Zwei bis drei Quartale vor Beginn einer solchen gehen die Wohnungsbauinvestitionen in der Regel dann sogar deutlich zurück. In den vergangenen Quartalen lag der Zuwachs der Wohnungsbauinvestitionen dagegen recht stabil bei im Mittel etwa 8 % pro Quartal (annualisiert). 2 % Wachstum sind drinWir sehen im deutlichen Rückgang des ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe keinen Vorboten für eine bevorstehende Rezession. Auch weitere Indikatoren wie Beschäftigungsentwicklung und Wohnungsbauinvestitionen senden keinerlei Rezessionssignal. Die heutige Situation ähnelt sehr stark der von Mitte der 1990er Jahre. Wir gehen davon aus, dass die US-Wirtschaft auch dieses Mal nicht in eine Rezession abrutschen wird. Stattdessen dürfte wie damals eine robuste Binnennachfrage, die sich vor allem aus dem privaten Konsum sowie den Wohnungsbauinvestitionen speisen sollte, dafür sorgen, dass sie US-Wirtschaft auch 2016 um gut 2 % wachsen wird.—-Jörg Angelé, Bond Market/Currency Research, Raiffeisen Bank International