LEITARTIKEL

Der doppelte Donald

US-Präsident Donald Trump hat den neuen britischen Premierminister zum britischen Trump erklärt. Das entspricht genau dem Bild, das Boris Johnsons Gegner von ihm haben. So einfach war es noch nie, sein Feindbild bestätigt zu bekommen. Dabei hat es...

Der doppelte Donald

US-Präsident Donald Trump hat den neuen britischen Premierminister zum britischen Trump erklärt. Das entspricht genau dem Bild, das Boris Johnsons Gegner von ihm haben. So einfach war es noch nie, sein Feindbild bestätigt zu bekommen. Dabei hat es mit der Realität nicht viel zu tun. Dem ehemaligen Außenminister wird unterstellt, er sei ein Rassist und Fremdenfeind. Der “doppelte Donald” verfolge einen kleingeistigen Nationalismus, der sich aus nostalgischen Gefühlen für das Empire speise.Trumps Gegner in den USA hießen ihre vermeintlichen Leidensgenossen in Großbritannien bereits im selbst ernannten Widerstand willkommen, als würden sie nicht gegen einen gewählten Präsidenten protestieren, sondern gegen eine dunkle Tyrannei kämpfen. Der Labour-Abgeordnete Darren Jones klagte, das Vereinigte Königreich werde von Alt-Right übernommen, als wäre das auch nur im Entferntesten möglich.Man muss befürchten, dass Johnsons Aufstieg die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen im Vereinigten Königreich weiter zuspitzen wird. Weil er populär ist, wird ihm vorgehalten, ein Populist zu sein. Das sei keine Demokratie, behaupten seine Feinde. Schließlich habe ihn nur eine Mehrheit der Mitglieder der Regierungspartei gewählt. Das ist zwar die in solchen Fällen in Großbritannien übliche Vorgehensweise, aber wen interessieren schon die Spielregeln, wenn man glaubt, am Abgrund zu stehen. Amerikanische Trump-Gegner behaupten ja auch steif und fest, die Mehrheit der Wahlberechtigten habe Trump nicht gewählt. Dass das US-Wahlrecht das so auch nicht verlangt, stört da keinen großen Geist.Aber wer ist Boris Johnson eigentlich? Anders als der Emporkömmling Trump gehört er voll und ganz zum britischen Establishment. Und wer im Schloss wohnt, kann es sich leisten, großzügig zu Bauern und Bediensteten zu sein. Johnson ist ein Mann der Mitte und hat keinerlei Probleme mit Zuwanderung, denn sie passt zu seinem kosmopolitischen Lebensstil. Mit seiner Politik orientiert er sich stärker an Tony Blair als Labour-Führer Jeremy Corbyn. All das hat er als Bürgermeister von London unter Beweis gestellt. Er setzt auf Optimismus und will Aufbruchsstimmung erzeugen. Das wird nicht einfach, war die bisherige Herangehensweise von Regierung und Verwaltung an das Thema Brexit doch vor allem von einem geprägt: Schadensbegrenzung. Dabei blieben alle Chancen auf der Strecke, die der EU-Austritt eröffnet. Gut möglich, dass der charismatische Johnson zu den beliebteren Premierministern der britischen Nachkriegsgeschichte gehören wird. Allerdings wird er nicht alle seine Anhänger beglücken. Manche von ihnen würden sich nur zu gern hinter die weißen Klippen von Dover zurückziehen. Doch Johnsons Global Britain sieht eine weitere Öffnung zur Welt vor.Man darf zudem gespannt sein, wie sich Johnson der Umarmung von Trump entziehen will. Denn Trump bietet ihm ein Freihandelsabkommen, das zumindest einen Teil der durch einen harten Brexit entstehenden Nachteile im Handel mit Resteuropa ausgleichen könnte. Die Krise um den von Iran aufgebrachten Öltanker führt den Briten zudem deutlich vor Augen, dass sie auf den Schutz der Vereinigten Staaten angewiesen sind. Hier wären auch am ehesten Zugeständnisse an Washington möglich, ist das Nuklearabkommen mit den Theokraten in Teheran doch ohnehin das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben steht. London müsste es nur zugeben. Die vom Foreign Office verfolgte Idee einer europäischen Schutzflotte, die Tanker durch die Straße von Hormus eskortieren sollte, nahm vermutlich nicht einmal Außenminister Jeremy Hunt besonders ernst. Denn wie lautet doch das alte Motto der gesamteuropäischen Außenpolitik: Jeder ist sich selbst der Nächste.——Von Andreas HippinBoris Johnson ist nicht der britische Trump, zu dem ihn der US-Präsident ernannt hat. Er wird sich solchen Umarmungsversuchen entziehen. ——