PERSONEN

Der flexible Herr Hammond

Von Andreas Hippin, London Börsen-Zeitung, 13.10.2016 Philip Hammond (60) hat bereits am Tag vor seiner Ernennung zum Schatzkanzler klargemacht, was ihm wichtig ist: Er werde sich dafür einsetzen, dass die City of London ihre Passporting-Rechte...

Der flexible Herr Hammond

Von Andreas Hippin, LondonPhilip Hammond (60) hat bereits am Tag vor seiner Ernennung zum Schatzkanzler klargemacht, was ihm wichtig ist: Er werde sich dafür einsetzen, dass die City of London ihre Passporting-Rechte behält, sagte er bei einem Abendessen der British Bankers Association (vgl. BZ vom 15. Juli).Der ehemalige Außenminister, der sich gerne als flexibel und pragmatisch verkauft, liebt starke Formulierungen. Er warnte dieser Tage vor Turbulenzen im Zusammenhang mit dem EU-Austritt und stimmte die Briten auf eine “Achterbahnfahrt” ein. Er betrachtet es als seine Aufgabe, wirtschaftlichen Schaden abzuwenden.Eine an ausgewählte Medien durchgestochene Kabinettsvorlage aus dem Schatzamt geht für den Fall, dass das Vereinigte Königreich den europäischen Binnenmarkt verlässt und künftig auf Grundlage der WTO-Regeln Handel treibt, von einem um bis zu 9,5 % niedrigeren Bruttoinlandsprodukt aus. Der öffentlichen Hand könnten demnach Einnahmen von bis zu 66 Mrd. Pfund jährlich entgehen. Es sind die Zahlen, mit denen Hammonds Vorgänger George Osborne den Austrittsbefürwortern im Wahlkampf Angst einjagen wollte. Auch Hammond hatte für den Verbleib in der EU geworben. Kein Wunder, dass die Brexit-Befürworter in der konservativen Partei – allen voran die “drei Brexitiere” Boris Johnson, David Davis und Liam Fox – Hammond schonungslosen Pessimismus vorwerfen. Davis, der für den EU-Austritt zuständige Staatssekretär, unterstellte den Beamten des Schatzamts gar, die Verhandlungsposition Großbritanniens zu unterminieren. Tatsächlich dürfte es dort nicht viele geben, die dem Brexit etwas abgewinnen können. Das Klima ist vergiftet.Dabei geht es in der politischen Auseinandersetzung inzwischen gar nicht mehr darum, ob Großbritannien die EU verlässt, sondern um die Ausgestaltung des Brexit. Die ehemaligen “Bremainians” argumentieren, die Bevölkerung habe sich zwar für den Austritt aus der Staatengemeinschaft ausgesprochen, aber doch nicht für ein Verlassen des gemeinsamen Markts. Das nennen sie “Hard Brexit”. Sie fordern stattdessen einen “Soft Brexit”, der allenfalls kosmetische Veränderungen nach sich ziehen würde. Der Riss zieht sich mitten durch die Regierungspartei und auch durch Theresa Mays Kabinett. Bislang hat die Parteichefin nicht klar Position bezogen.Hammond kommt dabei eine Sonderrolle zu. Anders als einst Gordon Brown hat er kein Interesse daran, selbst Premierminister zu werden. Während George Osborne ein enger Vertrauter und Berater David Camerons war, herrscht zwischen Hammond und May ein unterkühltes Verhältnis. Sein Vorteil: Angesichts der angespannten politischen Lage ist Hammond nahezu unkündbar. Zudem weiß er zahlreiche Parteigrößen und Abgeordnete hinter sich. Politischer LärmDer Rest ist politischer Lärm, inszeniert von Abgeordneten, die hoffen, eine parlamentarische Mehrheit gegen die Inanspruchnahme von Artikel 50 mobilisieren zu können. Tatsächlich war vor dem Referendum eine große Mehrheit im Unterhaus gegen einen EU-Austritt. Allerdings dürften sich die Tories darunter eher dem “Bremoaning” ergeben, als mit Labour und den schottischen Nationalisten gegen die eigene Regierung zu stimmen. Müsste May ihre Ziele bei den Verhandlungen mit Brüssel vorab im Unterhaus offenlegen, würde nur ihre Position geschwächt. Aber das Parlament bleibt nicht etwa außen vor, denn für einen Brexit erforderliche Gesetzesvorlagen wie das Great Repeal Bill, mit dem die EU-Mitgliedschaft annulliert und bis dahin gültiges europäisches Recht in britisches Recht überführt werden soll, müssen selbstverständlich dort erörtert werden.Hammond war schon lange am Amt des Schatzkanzlers interessiert. Zuvor hatte er bereits als Verkehrs- und Verteidigungsminister fungiert. Hätte die Wahl 2010 keine Koalition der Konservativen mit den Liberaldemokraten hervorgebracht, wäre er vielleicht damals als City-Minister ins Schatzamt eingezogen.Anders als viele Berufspolitiker verfügt der Oxford-Absolvent über Erfahrungen in der Privatwirtschaft. Der Vater dreier Kinder arbeitete zuerst bei Speywood Laboratories, dann für den Pflegeheimbetreiber Castlemead und wurde schließlich Partner bei der Beratungsgesellschaft CMA.