SERIE: REFORMPOLITIK IN DER EUROZONE (13) - IRLAND

Der keltische Tiger setzt wieder zum Sprung an

Zügige strukturelle und institutionelle Reformen haben Irland schnell wieder auf einen stabilen Wachstumspfad zurückgeführt - Vorbild für andere Krisenländer

Der keltische Tiger setzt wieder zum Sprung an

Von Douglas Renwick *)Die irische Wirtschaft ist in den ersten Jahren des Euro sehr schnell gewachsen. Die Zunahme des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreichte zwischen 1999 und 2007 jährlich im Schnitt 6,5 %. Der keltische Tiger wurde angesichts dessen immer wieder als Vorbild für alle anderen Länder in diesem Zeitraum herangezogen.Alle volkswirtschaftlichen Indikatoren standen gewissermaßen auf Grün. Die Arbeitslosigkeit war niedrig und stabil, gestützt durch den äußerst flexiblen Arbeitsmarkt. Die Haushaltspolitik erschien robust. Denn die Schuldenquote verringerte sich, zugleich wurden Haushaltsüberschüsse erzielt. Einzig der im Land sich entfaltende Kreditboom hat sich schließlich als nicht nachhaltig und gefährlich für den Standort erwiesen. Denn unter der Oberfläche der Volkswirtschaft bauten sich immense Ungleichgewichte auf.Die Bankenkrise war dann auch extrem teuer für das Land. Die direkten Kosten für die Steuerzahler bei der Rekapitalisierung der Banken erreichten 66,5 Mrd. Euro oder 40 % des BIP. Die öffentliche Verschuldungsquote in Relation zum BIP stieg rasch an von 24 % im Jahr 2007 auf 123 % im Jahr 2013. Das reale BIP sank um mehr als 10 %, während das nominale BIP, verschärft durch Deflation, um 17 % zurückging. Irlands hohe Auslandsverschuldung verschärfte die Lage noch. Das Land verlor seinen Marktzugang. Und im Dezember 2010 bat es um ein EU/IWF-Rettungsprogramm. Krise als KatalysatorDer Anpassungspfad, der dann als Teil des EU/IWF-Programms konzipiert wurde, fokussierte sich auf drei Hauptbereiche.- Zuerst musste der Finanzsektor rekapitalisiert und neu strukturiert werden.- Zweitens wurde eine große Haushaltskonsolidierung notwendig, um die Budgetnachhaltigkeit wiederherzustellen.- Zu guter Letzt musste die irische Wirtschaft ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit wiedererlangen, was besonders schwer in einer Währungsunion ist, in der eine Abwertung des Wechselkurses keine politische Möglichkeit ist.Damals war klar: Sofern Irland durch strukturelle und institutionelle Reformen nach der tiefen Rezession nur sein früheres Wachstumspotenzial wieder erreichen kann, könnte man schon von einem Erfolg des Programms sprechen. Dies war zu der Zeit aber keineswegs sicher. Die meisten historischen Beispiele legten nahe, dass nach einer Boom-Bust-Kreditkrise allenfalls eine längere Phase schwachen Wachstums zu erwarten ist.Die Wiederherstellung der Stabilität des irischen Bankensystems war daher ein zentrales Ziel des EU/IWF-Programms. Dies konzentrierte sich auf die Verkleinerung des Sektors (allein die inländischen Banken hatten im Jahr 2008 ein Bilanzvermögen von 430 % des BIP akkumuliert, heute sind es nur noch 140 %) und die Rekapitalisierung von insolventen Banken. Danach stand die Restrukturierung von Krediten an Unternehmen und Haushalte im Mittelpunkt, einschließlich Reformen der Insolvenzregelung. Während das EU/IWF-Programm sich weniger auf die Verbesserung der Bankenaufsicht konzentrierte, kam dies später mit der Einführung des einheitlichen Überwachungsmechanismus hinzu.In den Bankbilanzen schlummert noch immer ein großer Teil notleidender Kredite, und die Verschuldung des privaten Sektors ist im europäischen Vergleich weiterhin hoch. Diese Schuldenüberhänge dämpfen Investitionen des privaten Sektors und drücken auf den Konsum. Es wird daher noch einige Jahre dauern, bis der Finanzsektor wieder zurück zur Normalität findet.Irland hat seit der Krise aber – basierend auf den Regelungen der Eurozone – einen starken finanzpolitischen Rahmen geschaffen. Die haushaltspolitischen Herausforderungen waren dabei immens. Denn das Budgetdefizit, ohne die Kosten der Bankenrekapitalisierung, stieg 2009 auf 11,6 % des BIP. Gleichwohl ist es Irland gelungen, die Defizitziele, die unter dem EU/IWF-Programm festgelegt wurden, zu erreichen. Zugleich profitierte der Fiskus von den im Rahmen der wirtschaftlichen Erholung wieder gestiegenen Steuereinnahmen. Ende des DefizitverfahrensDie finanzpolitische Verbesserung steht in starkem Kontrast zu anderen Euro-Staaten, die immer wieder eine Verlängerung ihrer Defizitverfahren (Excessive Deficit Procedure/EDP) verlangt haben. Wenn alles nach Plan läuft, wird Irland nächstes Jahr das Verfahren sogar hinter sich lassen können.Auch die wirtschaftliche Erholung geht gut voran. Änderungen am Tarifvertragsprozess führten zu einem starken Abwärtsdruck auf die Nominallöhne. Diese schnelle Anpassung der Arbeitskosten steigerte die internationale Wettbewerbsfähigkeit; allerdings auf Kosten eines starken Rückgangs der verfügbaren Einkommen. Weitere Mittel wurden für Ausbildungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose ausgewiesen, vor allem für gering qualifizierte Arbeitnehmer, die besonders stark vom Zusammenbruch im Baugewerbe betroffen waren. Produktmarktreformen beinhalteten die Öffnung vorher geschlossener Berufe.Schon vor der Krise gehörten Irlands Produkt- und Arbeitsmärkte zu den flexibleren unter den europäischen Volkswirtschaften. Unter Berücksichtigung der oben genannten Reformmaßnahmen schätzt Fitch Ratings das mittelfristige potenzielle BIP auf etwa 2 %. Die Wachstumsrate liegt zwar deutlich unter dem Durchschnittswachstum vor der Krise, ist aber gut vergleichbar mit anderen Ländern der Eurozone. Arbeitslosigkeit entscheidendDer Druck des Schuldenabbaus des öffentlichen und privaten Sektors wird das Wachstum allerdings noch länger dämpfen. Entscheidend für die weitere Entwicklung ist die Lage am Arbeitsmarkt. Noch ist unklar, wie sich die Zahl der Arbeitslosen entwickeln wird. Die EU-Kommission etwa nimmt an, dass die strukturelle Arbeitslosenquote bei 9,5 % liegt, was sich als zu pessimistisch herausstellen dürfte. Ein schnelleres Beschäftigungswachstum könnte in den nächsten Jahren daher zu einer stärkeren Wirtschaftsleistung führen als erwartet.—-*) Douglas Renwick ist Senior Director und Teamleiter für Länderanalysen bei Fitch Ratings in London.—-Zuletzt erschienen:- Finnland (8. September)- Slowakei (9. September)- Slowenien (10. September)Nächster Teil: Griechenland