Der Konjunktur fehlt eine Perspektive
Nach dem Brexit-Schock lässt die Konjunkturerholung in Deutschland auf sich warten: Der Index der Konjunkturerwartungen verharrt bei 0,5 Punkten und liegt damit fernab vom langjährigen Mittel von 24,1 Zählern.lz Frankfurt – Die Konjunkturbeobachter zeigen sich zwar nach Bekanntwerden der enttäuschenden ZEW-Daten im Hinblick auf die weiteren Wachstumsaussichten der deutschen Wirtschaft weiterhin optimistisch, wollen allenfalls von einer etwas später einsetzenden Erholung sprechen, gaben sich ob der sich häufenden Bremsspuren aber irritiert. Zuletzt hatten der Auftragseingang und die Industrieproduktion geschwächelt. Nun signalisiert auch die Umfrage des Zentrums für Europäische Wirtschaftsentwicklung (ZEW) unter 205 Analysten und Anlegern eine konjunkturelle Entschleunigung.Das Barometer für die Konjunkturerwartungen in den nächsten sechs Monaten verharrte im September nämlich bei 0,5 Zählern. Ökonomen hatten indes mit einem Anstieg auf 2,5 Punkte gerechnet. Im Juli war das Barometer wegen des britischen Votums für einen EU-Austritt noch auf den schwächsten Wert seit gut dreieinhalb Jahren gerutscht. Im August ging es dann leicht bergauf, und im September trat der Index nun auf der Stelle. Zugleich verschlechterte sich auch die Bewertung der aktuellen Lage – allerdings auf hohem Niveau. Der Lageindex ging um 2,5 Punkte zurück und steht nun bei 55,1 Zählern.”Die Delle nach dem Brexit ist noch nicht ausgestanden”, sagte Nord/LB-Experte Stefan Große. ZEW-Präsident Achim Wambach verwies in seiner Analyse auf die negativen Meldungen von der deutschen Industrie und dem Außenhandel – vor allem mit Ländern außerhalb der EU. Denn innerhalb des Währungsraums läuft die Konjunktur wieder besser. Die EU-Konjunkturerwartungen zogen im September im Gegensatz zu Deutschland sogar etwas an, um 0,8 Zähler auf 5,4 Punkte. Das Niveau vor dem überraschenden Brexit-Votum in Großbritannien wird aber noch spürbar unterschritten. “Gute Wirtschaftslage”Vor allem Verbesserungen in Frankreich und Italien hievten den Index nach oben. In beiden Ländern liegen die Konjunkturerwartungen nur noch knapp im negativen Bereich. Auch in Großbritannien hat sich die Stimmung wieder etwas verbessert, wenngleich das äußerst niedrige Niveau des Indikators unverändert auf einen anstehenden Konjunkturabschwung hindeutet. Insofern erwartet Wambach auch für das kommende halbe Jahr eine “unverändert gute Wirtschaftslage”.Thomas Gitzel von der VP-Bank aus Liechtenstein zeigte sich im Hinblick auf die deutsche Wirtschaft allerdings eher skeptisch. Aufträge und Produktion der Industrie ließen auf eine sehr schleppende Entwicklung schließen, schrieb er. Darüber hinaus seien die nächsten politischen Schlaglöcher schon in greifbarer Nähe. Er verweist auf die anstehende US-Wahl und auf Italiens Verfassungsreferendum. Das könnte die Unsicherheiten zum Jahresende weiter anheizen.Im ersten Quartal hatte die deutsche Wirtschaft kräftig um 0,7 % zugelegt und wuchs im Frühjahr noch um 0,4 %. Das Bundeswirtschaftsministerium geht davon aus, dass die Konjunktur im zweiten Halbjahr an Tempo verliert.