EUROPA HAT DIE WAHL

Der längste Wahlzettel aller Zeiten

Kein europaweit einheitlicher Gesetzesrahmen

Der längste Wahlzettel aller Zeiten

ahe Brüssel – Eigentlich macht der Europäischen Union in Sachen Harmonisierung ja kaum jemand etwas vor. Absurderweise ist es ausgerechnet bei der Europawahl bislang nicht gelungen, einheitliche Voraussetzungen für alle Kandidaten und Wähler zu schaffen. Dies gilt für Sperrklauseln, Mindestalter bis hin zum eigentlichen Wahltermin, bei dem nationale Traditionen auch in diesem Jahr Berücksichtigung finden: In den meisten EU-Staaten – einschließlich Deutschland – ist die Wahl für Sonntag, 26. Mai, angesetzt. In den Niederlanden wird aber bereits am Donnerstag, 23. Mai, gewählt, in Irland am Freitag und in einigen weiteren Ländern wie Malta am Samstag. Chancen für KleinstparteienKritischer als der Wahltermin werden die unterschiedlichen Startchancen der Bewerber für eines der 751 (ohne Großbritannien: 705) Mandate für das neue Parlament bewertet: In rund der Hälfte der EU-Staaten reicht es, mindestens 18 Jahre alt zu sein, in den übrigen Ländern gelten für die Kandidaten andere Altersgrenzen. So muss in Italien oder Griechenland ein Kandidat schon mindestens 25 Jahre alt sein. Auch beim Mindestalter der Wähler gibt es innerhalb der EU noch Unterschiede: In Österreich und Malta dürfen auch schon 16-Jährige über die Zusammensetzung des nächsten Europaparlaments mitbestimmen.Zudem haben Kleinstparteien in den einzelnen EU-Ländern höchst unterschiedliche Chancen. In der einen Hälfte der Staaten gelten Sperrklauseln zwischen 1,8 % und 5 %. In der anderen Hälfte fehlen solche Hürden. Der Europäische Rat hat im Sommer 2018 zwar bereits Änderungen beschlossen. Diese treten jedoch erst in Kraft, wenn sie in allen Mitgliedstaaten ratifiziert sind, was aktuell noch nicht der Fall ist.Für Deutschland bedeutet dies, dass Kleinstorganisationen wie “Die Partei” des Satirikers Martin Sonneborn oder “Die Tierschutzpartei” aktuell gute Chancen auf mindestens ein Mandat haben. Nicht umsonst ist der Wahlzettel in Deutschland mit knapp einem Meter so lang wie nie: 1 380 Bewerber hat der Bundeswahlleiter für die 96 deutschen Sitze im nächsten EU-Parlament gezählt – mehr als je zuvor. 41 Parteien treten insgesamt in Deutschland an – bis auf CDU und CSU auch in allen Bundesländern. Die Reihenfolge der Parteien auf den Wahlzetteln ist übrigens von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Sie richtet sich nach den Ergebnissen der letzten Europawahl im Jahr 2014.Unter den Kandidaten finden sich auch überraschende Namen: So tritt etwa Giannis Varoufakis, der umstrittene frühere Finanzminister Griechenlands, bei der Europawahl in Deutschland an. Ein Wohnsitz in Berlin macht dies möglich. Er ist nun Spitzenkandidat von “Demokratie in Europa”, einem Ableger der europaweiten Bewegung Diem25.Das neue Europaparlament, das nun zum neunten Mal direkt gewählt wird, beginnt seine fünfjährige Amtszeit mit einer konstituierenden Sitzung in Straßburg am 2. Juli. In den fünf Wochen nach der Wahl gilt es, innerhalb der europäischen Parteienfamilien Fraktionen zu bilden und erste Bündnisse zu schmieden. Aktuell gibt es acht Fraktionen im Parlament. Experten erwarten, dass insbesondere bei den europakritischen und nationalistischen Parteien neue Kooperationen entstehen. Klar ist aber: Zur Bildung einer Fraktion sind mindestens 25 Abgeordnete aus sieben EU-Staaten erforderlich.