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Der Mann für alle Fälle

Von Peter De Thier, Washington Börsen-Zeitung, 19.5.2017 In der krisengeschüttelten US-Hauptstadt hat ein früherer FBI-Chef mit einem makellosen Ruf binnen weniger Stunden wieder eine gewisse Ruhe einkehren lassen. Robert S. Mueller (72) leitet nun...

Der Mann für alle Fälle

Von Peter De Thier, WashingtonIn der krisengeschüttelten US-Hauptstadt hat ein früherer FBI-Chef mit einem makellosen Ruf binnen weniger Stunden wieder eine gewisse Ruhe einkehren lassen. Robert S. Mueller (72) leitet nun die Ermittlungen zu Russlands Rolle bei der Beeinflussung der amerikanischen Präsidentschaftswahl. Er soll feststellen, ob Mitarbeiter der Kampagne des US-Präsidenten Donald Trump mit Vertretern der russischen Regierung Absprachen trafen, um die Wahrscheinlichkeit eines republikanischen Wahlsiegs zu erhöhen. Beifall von allen SeitenWährend Demokraten die Tatsache lobten, dass der respektierte Jurist ein Garant für Integrität und Überparteilichkeit ist, freuten sich zunehmend nervöse republikanische Abgeordnete und Senatoren darüber, endlich aufatmen zu können. Dem Trommelfeuer an Kritik, das ihnen seitens der eigenen Wähler entgegenschlug, können sie nun mit dem Hinweis begegnen, dass, wie auch immer das Ermittlungsverfahren ausgehen mag, das Ergebnis nun glaubwürdig sein wird. Die politischen Konsequenzen wird dann kein Geringerer als Präsident Trump zu tragen haben. Kurzfristig wird von Interesse sein, ob Trumps legislative Agenda wieder ins Stocken gerät oder vielmehr das Gegenteil eintritt, er nämlich eine Steuerreform schon deswegen durch den Kongress peitschen will, um von dem politischen Chaos um die eigene Regierung abzulenken.In einer Woche, in der sich die Ereignisse mit schwindelerregendem Tempo überstürzten, sorgte die Berufung Muellers zum Sonderermittler für eine weitere sensationelle Wende. Nachdem sich Justizminister Jeff Sessions, ein unerschütterlicher Trump-Loyalist, wegen der eigenen Kontakte zum russischen Botschafter in Washington aus dem Fall zurückgezogen hatte, entschied dessen Stellvertreter Rod Rosenstein, den langjährigen Direktor des Bundeskriminalamts für die hochsensible Position zu nominieren.Der angesehene Jurist, ein Absolvent der elitären Princeton-Universität, war als Staatsanwalt in Massachusetts sowie Kalifornien tätig und übernahm unter Präsident George W. Bush die strafrechtliche Abteilung des US-Justizministeriums. Dort leitete er Strafverfahren im Zusammenhang mit dem Terroranschlag über Lockerbie und nach dem Sturz des panamaischen Diktators Manuel Noriega ein. Auch spielte der Advokat eine entscheidende Rolle bei der Verurteilung des legendären Mafiabosses John Gotti. Regisseur des WandelsAls FBI-Direktor, ein Posten, den er nur eine Woche vor den Terroranschlägen von 9/11 übernahm, profilierte sich Mueller an mehreren Fronten. Vehement stemmte er sich gegen Kritiker, die im Gefolge der Anschläge die Auflösung des FBI forderten. Stattdessen leitete der neue Direktor einen Kurswechsel ein und wachte in den darauffolgenden Jahren über die Modernisierung der traditionsreichen Organisation. Unter Mueller wandelte sich das FBI von einer auf herkömmliche Kriminalitätsbekämpfung spezialisierten Einheit zu einem unverzichtbaren Instrument bei der Bekämpfung des Terrorismus.Nun fällt dem langjährigen Direktor, der nach Ablauf seiner Amtszeit von Präsident Barack Obama gebeten wurde, noch zwei weitere Jahre an Bord zu bleiben, und damit einen weiteren Beweis für seine Überparteilichkeit lieferte, die undankbarste Aufgabe seiner Karriere zu. Dass Mueller seinen Mann stehen und nicht zögern wird, einem Präsidenten die Stirn zu bieten, hatte er bereits als FBI-Chef bewiesen. So drohten Mueller und dem damals stellvertretenden Justizminister James Comey, dessen Aussagen nun eine Schlüsselrolle zukommen werden, 2004 Präsident Bush mit dem Rücktritt. Sie protestierten gegen den Versuch des Weißen Hauses, einen Beschluss des Justizministeriums zu kippen, der Abhöraktionen im Inland für illegal erklärte. Mueller und Comey reüssierten, der Präsident gab schließlich nach. Mit derselben unerschütterlichen Prinzipientreue wird Mueller seinen neuen Job anpacken. Er wird weitreichende Autonomie haben und könnte Trump sogar zwingen, seine Steuererklärungen zu veröffentlichen. Ob das letzten Endes alles zur Entlastung des Präsidenten oder andernfalls vielleicht sogar zu einem Amtsenthebungsverfahren führt, wird man wohl erst nach einigen Monaten wissen. Zumindest werden Demokraten ebenso wie Republikaner sicher sein, dass gründlich und integer ermittelt wurde.