Deutsche Industrie tritt auf der Stelle
Der Auftragseingang der deutschen Industrie hat im Mai stagniert. Die gesunkene Nachfrage aus dem Inland wurde dabei vor allem von der gestiegenen Orderzahl aus dem Euroraum kompensiert.ba Frankfurt – Die deutsche Industrie hat im Mai preis-, saison- und arbeitstäglich bereinigt Aufträge auf dem Vormonatsniveau eingesammelt. Zugleich revidierte das Statistische Bundesamt (Destatis) den Aprilwert leicht um 0,1 Punkte auf – 1,9 % nach oben. Im März waren die Auftragseingänge noch um 1,4 % gestiegen. Ökonomen hatten für Mai ein Plus von 1,0 % erwartet und zeigten sich dementsprechend enttäuscht von den gestern veröffentlichten Daten. Zudem taten sie sich mit einer Bewertung schwer, da sich die Auswirkungen des Brexit-Votums in Großbritannien wohl frühestens in den Daten von Juli und August zeigen werden, wie etwa Andreas Rees von der Unicredit erwartet. Eine erste Indikation seien umfragebasierte Indikatoren wie das Ifo-Geschäftsklima und die Einkaufsmanagerindizes für Juli, die am 25. bzw. 22. Juli veröffentlicht werden sollen.”Es ist gut möglich, dass die aufkommenden Unsicherheiten die Investitionsbereitschaft der Unternehmen bremsen”, sagte Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. Dies könnte sich dann auch bei den Auftragseingängen niederschlagen. Gegen die These einer generellen Kaufzurückhaltung im Vorfeld des britischen Referendums sprächen die erstaunlich stark ausgefallenen Bestellungen aus der Eurozone. Die legten um 4,0 % zu und damit auf ein Niveau wie zuletzt im Juni 2011. Erstaunlich schwach präsentierten sich hingegen die Bestellungen aus dem Inland mit – 1,9 %. Das hinterließ bei Gitzel ein Fragezeichen, da gerade die Binnenwirtschaft zuletzt die treibende Kraft der deutschen Wirtschaft gewesen sei. Grund zum Wehklagen bestehe aber nicht. Die wirtschaftliche Erholung in der Eurozone helfe dem produzierenden Gewerbe über die schwache weltwirtschaftliche Entwicklung teilweise hinweg. Produktion wohl gesunkenAuch Stefan Kipar von der BayernLB erwartet keine Rezession hierzulande, auch wenn angesichts der hohen Unsicherheit über das künftige Verhältnis zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU in den kommenden Monaten eher schlechte Konjunkturnachrichten dominieren dürften. Für die Mai-Produktionsdaten, die am heutigen Donnerstag veröffentlicht werden sollen, erwartet Kipar keinen Anstieg – “auch da die Produktion im Automobilsektor wohl zum Vormonat schwächer ausgefallen ist”. Die Unicredit hat die Auftragseingänge gar zum Anlass genommen, die Prognose für die Industrieproduktion auf – 0,3 % gegenüber dem Vormonat von zuvor + 0,3 % zurückzunehmen. Dafür sprächen auch die Industrieumsätze, die mit der Produktion stark korreliert sind, sagte Rees. Diese sind im Mai um 0,9 % im Vergleich zum Vormonat gesunken.Steigen dürfte die Produktion in den kommenden Monaten kaum, sagte auch Ralph Solveen von der Commerzbank. Angesichts der anhaltenden Seitwärtsbewegung der Industrie werde die deutsche Wirtschaft in den folgenden Quartalen nur moderat zulegen, so wie im zweiten Quartal. Ökonomen erwarten für das abgelaufene Vierteljahr ein Wirtschaftswachstum von 0,3 %. Das wäre etwa halb so viel wie in dem Auftaktquartal, das durch Sondereffekte wie den milden Winter geprägt war. Weiter “solide Entwicklung”Dass sich das Geschäftsklima im verarbeitenden Gewerbe zuletzt erneut aufgehellt habe, deute auf eine weiter solide Entwicklung hin, konstatierte das Bundeswirtschaftsministerium. Die Bestellungen seien im Jahresverlauf abgesehen von monatlichen Schwankungen nahezu stabil geblieben. So sind im Zweimonatsvergleich die Orders um 0,6 % gegenüber Februar/März zurückgegangen. Im Durchschnitt der Monate April/Mai lagen die Auftragseingänge 0,5 % unter dem Durchschnittsniveau des ersten Quartals.Als Ursache für die Stagnation im Mai macht Solveen in erster Linie den Posten “sonstiger Fahrzeugbau” aus, dessen immer sehr volatile Orders nicht wie erwartet kräftig gestiegen, sondern sogar gefallen sind. Blieben diese unberücksichtigt, ergäbe sich ein Plus von 0,8 %. Die Anzahl der Großaufträge war unterdurchschnittlich. Unter den Gütergruppen stiegen vor allem die Investitionsgüterbestellungen (+ 1,9 %). Allerdings sei dies vor dem Hintergrund des Rückgangs im Vormonat zu sehen, so Ökonom Kipar. Vorleistungs- und Konsumgüter waren hingegen im Mai weniger stark nachgefragt.