Deutsche Inflation auf Zwei-Jahres-Hoch
rec Frankfurt
Die Inflationsrate in Deutschland ist laut europäischer Berechnungsmethode auf den höchsten Stand seit April 2019 geklettert. Der für die Geldpolitik im Euroraum maßgebliche Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) stieg im März auf 2,0%, wie das Statistische Bundesamt auf Basis einer Schnellschätzung mitteilte. Das sind 0,4 Prozentpunkte mehr als im Januar und Februar. Nach nationaler Rechnung (VPI) lag der Anstieg der Verbraucherpreise mit 1,7% so hoch wie zuletzt im Februar 2020, dem letzten vollen Monat vor einschneidenden Maßnahmen im Zuge der Pandemie.
Maßgeblich sind höhere Energiekosten. Im Frühjahr 2020 waren im Zuge der Pandemie die Ölpreise eingebrochen. Dieser Basiseffekt dürfte im April am stärksten durchschlagen. Auch die Rückkehr zu den gewohnten Mehrwertsteuersätzen zu Jahresbeginn spielt eine wesentliche Rolle. Weil es sich dabei um vorübergehende Faktoren handelt, gehen Ökonomen wie auch die Europäische Zentralbank (EZB) davon aus, dass die Inflation spätestens Anfang 2022 zurückgehen dürfte. Bis dahin ist gleichwohl damit zu rechnen, dass die Inflationsrate zeitweise die Marke von 3% überschreiten könnte.
Auch die Inflation für den gesamten Euroraum dürfte im März weiter angezogen haben. So stiegen die Verbraucherpreise in Spanien gemäß HVPI um 1,2%, stärker als erwartet. Einen ersten Wert für die gesamte Eurozone veröffentlicht das Statistikamt Eurostat an diesem Mittwoch. Die EZB, deren Ziel eine Inflation von mittelfristig knapp 2% ist, dürfte ihre lockere Geldpolitik unbeeindruckt fortsetzen. So hat EZB-Chefin Christine Lagarde klargestellt, durch die Phase höherer Verbraucherpreise „hindurchschauen“ zu wollen.
Carsten Brzeski, Deutschland-Chefvolkswirt der ING, sagte, diese Zusicherung sei „keinen Moment zu früh“ gekommen. Er rechnet nach wie vor nicht mit einem längerfristig höheren Preisdruck. Mit Blick auf den Tarifabschluss in der Metallindustrie (siehe nebenstehender Text) sagte Brzeski: „Im Augenblick erscheint eine Lohn-Preis-Spirale höchst unwahrscheinlich.“ Auch KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib begrüßte die Ansage der EZB. Sie wies auf die Möglichkeit von „kurzfristigen Angebotsengpässen und damit höheren Preisen“ für manche Konsumartikel oder Dienstleistungen hin, sobald Alltagsbeschränkungen gelockert werden. „Sollten allerdings im Zuge der dritten Viruswelle neue Verschärfungen notwendig werden, stellt dies ein Abwärtsrisiko für die Preisentwicklung dar.“
Inflationserwartungen von Anlegern sind zuletzt deutlich gestiegen. Weitere Nahrung erhält dies durch die von der EU-Kommission ermittelte Wirtschaftsstimmung: Der „European Sentiment Index“ (ESI) stieg erstmals seit Ausbruch der Pandemie über den langfristigen Durchschnitt, auf unerwartet hohe 101 Punkte.