Deutsche Inflation legt überraschend zu
ms Frankfurt – Die Inflation in Deutschland hat sich im Juni überraschend beschleunigt. Bereits in den nächsten Monaten dürfte sich dieser Trend aber wieder umkehren, und die Teuerungsrate könnte sogar unter die Nulllinie fallen – vor allem als Folge der temporären Mehrwertsteuersenkung. Das wiederum dürfte auch die Inflation im Euroraum drücken und womöglich auch für Werte unterhalb von 0 % sorgen. Das sollte die Spekulationen auf weitere Hilfen der Europäischen Zentralbank (EZB) gegen die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise am Leben halten.Im Juni kletterten die Verbraucherpreise in Deutschland gemessen an dem für EU-Zwecke berechneten harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) gegenüber Vorjahr um 0,8 %, wie das Statistische Bundesamt gestern in einer ersten Schätzung mitteilte. Im Mai hatte die Rate bei 0,5 % gelegen. In nationaler Rechnung (VPI) legte die Inflation von 0,6 % auf 0,9 % zu. Beobachter hatten einen unveränderten Wert erwartet. Energie verbilligte sich zwar erneut, aber nicht mehr so stark wie im Mai. Waren verteuerten sich insgesamt um 0,2 %, nachdem sie sich im Mai auf Jahressicht noch um 0,4 % verbilligt hatten.In den nächsten Monaten dürfte die Inflation allerdings deutlich nachgeben. Hintergrund ist insbesondere auch die zur Ankurbelung der Wirtschaft beschlossene Mehrwertsteuersenkung. Die Mehrwertsteuer soll zum 1. Juli für ein halbes Jahr von 19 % auf 16 % beziehungsweise von 7 % auf 5 % sinken. Destatis hatte bereits Mitte Juni vorgerechnet, dass die Steuersenkung bei vollständiger Weitergabe an die Verbraucher “einen Rückgang der Verbraucherpreise um rein rechnerisch 1,6 % verursachen” könnte.Inwieweit die Senkung an die Verbraucher weitergereicht werde, ist jedoch noch unklar. Erfahrungen aus der Finanzkrise 2008/09 zeigen Experten zufolge, dass die Firmen die niedrigere Umsatzsteuer nur zum Teil an die Verbraucher weitergäben. Dies könnte allerdings bereits ausreichen, um die Teuerung bereits im Juli in Richtung Nulllinie zu drücken. Nach Auslaufen der Steuersenkung dürfte es indes 2021 zu einer Gegenbewegung kommen.Angesichts der Bedeutung der deutschen Volkswirtschaft würde eine solche Entwicklung auch die Inflationsrate im Euroraum insgesamt stark beeinflussen. Im Mai hatte die Euro-Teuerung ohnehin nur noch bei 0,1 % gelegen. Daraufhin hatten erste Euro-Hüter bereits vor der Gefahr einer Deflation, also einer Abwärtsspirale aus fallenden Preisen und fallendem Wachstum, gewarnt. Das war ein Motiv für die Aufstockung des Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme). Die EZB strebt mittelfristig einen Wert von unter, aber nahe 2 % an.Für Juni erwarten Ökonomen nun eine Euro-Inflationsrate von 0,2 %. Eine erste Schätzung legt Eurostat am heutigen Dienstag vor. EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel hatte am Wochenende gesagt, dass die Inflationsrate in den kommenden Monaten unter null fallen könnte.