Deutsche Inflation springt über 7 Prozent
Die Inflation in Deutschland ist im März deutlich über 7% gesprungen. Das ergab eine Schnellschätzung des Statistischen Bundesamts. Die Wirtschaftsweisen halten einen Anstieg der Inflation auf 7,5% bis knapp 9% für möglich. Außerdem befürchten sie eine schwere Rezession, falls Öl- und Gaslieferungen aus Russland ausbleiben. Das geht aus der am Vormittag veröffentlichten Konjunkturprognose des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hervor.
Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und der dadurch stark gestiegenen Energiepreise ist die Teuerungsrate in Deutschland nochmals stärker gestiegen, als Ökonomen angenommen hatten. Laut Destatis stieg der für die Europäische Zentralbank (EZB) einschlägige Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) auf 7,6%. Nach nationaler Rechnung (VPI) sind es 7,3%. Damit ist auch bei der Euro-Inflation am Freitag eine Negativüberraschung nach oben programmiert, zumal die Inflationsrate in Spanien sogar auf fast 10% sprang.
Das bringt die Europäische Zentralbank (EZB) in eine immer schwierigere Lage. Denn die jüngsten Daten in Verbindung mit der steigenden Gefahr einer Rezession schüren Sorgen vor einer Stagflation, also hoher Inflation bei schwacher Wirtschaftsleistung. Im EZB-Rat ist das richtige Maß der begonnenen geldpolitischen Straffung Gegenstand intensiver Debatten. EZB-Ratsmitglied Robert Holzmann plädierte gerade im Interview der Börsen-Zeitung für ein Ende des Negativzinses noch in diesem Jahr. Die hohe Inflation nannte Österreichs Notenbankchef „ganz sicher die Top-Priorität“.
Der Sachverständigenrat rechnet mit einer Inflationsrate in Deutschland von durchschnittlich 6,1% in diesem Jahr. Wirtschaftsforschungsinstitute und Bankvolkswirte haben ihre Inflationsprognosen in Reaktion auf den Krieg reihenweise nach oben revidiert, aber bislang nicht ganz so stark wie nun die Wirtschaftsweisen. 2023 rechnen diese mit einem Rückgang auf 3,4%. Auch das ist deutlich über dem EZB-Inflationsziel von 2%. Der Kaufkraftverlust könnte nach Auffassung des Sachverständigenrats die anstehenden Tarifverhandlungen beeinflussen. „Die Dynamik für Lohnforderungen dürfte ab dem zweiten Halbjahr 2022 zunehmen“, sagte die Wirtschaftsweise Veronika Grimm. „Damit steigt das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale.“
Das Bruttoinlandsprodukt dürfte in diesem Jahr nur noch um 1,8% zulegen statt der noch im November erwarteten 4,6%. Selbst eine schrumpfende Wirtschaft schließt der Sachverständigenrat in seinem Ausblick nicht aus, etwa bei einem Stopp von Energieimporten aus Russland. „Dann stürzt Deutschland noch dieses Jahr in eine tiefere Rezession“, sagte der Wirtschaftsweise Volker Wieland laut Reuters.
Das Risiko für Lieferunterbrechungen ist durch die Kontroverse über die vom Kreml geforderte Bezahlung von Gaslieferungen in Rubel gestiegen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat deshalb am Mittwoch die Gas-Frühwarnstufe ausgerufen.