Deutsche Staatsfinanzen nicht zukunftsfest

Tragfähigkeitslücke von bis zu 85 Mrd. Euro

Deutsche Staatsfinanzen nicht zukunftsfest

ge Berlin – Ohne wirksame Reformen und einen strengen Konsolidierungskurs sind die öffentlichen Finanzen in Deutschland nicht zukunftsfest. Trotz aktuell milliardenschwerer Finanzpolster in den Sozialkassen ist die langfristige Tragfähigkeit nicht gegeben. Vielmehr zeichneten sich vor dem Hintergrund des demografischen Wandels “nennenswerte Risiken” ab, die ab 2025 deutlich sichtbar würden, heißt es im gestern vorgelegten aktualisierten Tragfähigkeitsbericht des Bundesfinanzministeriums. Bericht als FrühwarnsystemIn dem Bericht beziffern die externen Wissenschaftler die gegenwärtige Tragfähigkeitslücke auf eine Spanne von 0,6 bis 3,1 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Um diesen Wert müsste der gesamtstaatliche Finanzierungssaldo ab sofort und dauerhaft verbessert werden, damit der Staat langfristig seinen expliziten und impliziten Verbindlichkeiten nachkommen kann. Bei einem BIP von gut 2,7 Bill. Euro entspräche der aktuelle Anpassungsbedarf 16 bis 85 Mrd. Euro.Würde der Staat den gesamten Anpassungsbedarf bis 2060 konzentriert in den nächsten sechs Jahren bewältigen wollen, müsste er dem Bericht zufolge bis 2020 jährlich 0,1 bis 0,5 % des BIP zusätzlich sparen oder entsprechende Einnahmen erwirtschaften – entsprechend 2,7 bis 14 Mrd. Euro. “Würde man die Anpassung auf einen längeren Zeitraum strecken, wäre der jährliche Anpassungsbedarf entsprechend geringer”, heißt es weiter.Der Bericht mit seinen Modellrechnungen gilt als Frühwarnsystem für die Staatsfinanzen. Er ist ein Zwischenbericht, der den Bevölkerungszensus 2011 erstmals berücksichtigt. In dieser “Momentaufnahme zu Beginn der neuen Legislaturperiode” sind folglich die neuen großkoalitionären Rentenbeschlüsse noch nicht enthalten, die die Tragfähigkeitslücke vergrößern dürften. Umgekehrt stellt sich die Staatsverschuldung des Bundes realiter positiver dar als von den Wissenschaftlern veranschlagt – was die Lücke verkleinern sollte. Andere Faktoren, die die Tragfähigkeit deutlich verbessern könnten, sind eine sinkende Arbeitslosigkeit, qualifizierte Zuwanderung, eine höhere Geburtenrate, wachsende Erwerbstätigkeit von Frauen und älteren Arbeitnehmern sowie ein steigendes Produktivitätswachstum.Die Tragfähigkeitslücke soll langfristige Risiken für die Staatskassen infolge der demografischen Entwicklung aufzeigen – also aus der zunehmenden Alterung der Gesellschaft mit den steigenden Gesundheits-, Pflege- und Rentenkosten bei gleichzeitig sinkender Zahl der Einwohner und Beitragszahler. Die Lücke umfasst damit nicht nur die staatlichen Gesamtschulden, sondern auch staatliche Leistungsversprechen für die Zukunft, wie die Kosten der gesetzlichen Rentenversicherung oder Pensionsansprüche der Beamten.