EuGH

Deutsche Vorratsdaten­speicherung gekippt

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die anlasslose Vorratsdatenspeicherung in Deutschland endgültig gekippt. Bundesjustizminister Marco Buschmann will nun rasch einen neuen Gesetzesentwurf vorlegen.

Deutsche Vorratsdaten­speicherung gekippt

ahe Brüssel

Die anlasslose Vorratsdatenspeicherung in Deutschland verstößt gegen europäisches Recht. Dies entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am Dienstag in einem Grundsatzurteil und beendete damit eine jahrelange Hängepartie. Die Richter stellten zu den derzeit ausgesetzten deutschen Regelungen fest, dass eine Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten im Bereich der elektronischen Kommunikation nur in engen Grenzen möglich sei.

In dem Urteil des EuGH heißt es, laut Unionsrecht könne die Speicherung von Daten möglich sein, wenn „eine ernste Bedrohung für die nationale Sicherheit“ vorliege. In diesem Fall sei eine „gezielte Vorratsdatenspeicherung“ sowie für einen auf das absolut Notwendige begrenzten Zeitraum „eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung der IP-Adressen“ möglich.

„Historisches Urteil“

Zur Bekämpfung schwerer Straftaten könne Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste auch aufgegeben werden, „während eines festgelegten Zeitraums die ihnen zur Verfügung stehenden Verkehrs- und Standortdaten umgehend zu sichern“.

Ursprünglich waren Telekommunikationsanbieter verpflichtet, Verkehrsdaten anlasslos zu speichern und im Bedarfsfall Sicherheitsbehörden zur Verfügung zu stellen. Der Münchner Internetanbieter Spacenet AG hatte gegen die Regelung geklagt und 2017 vor dem Oberverwaltungsgericht Köln Erfolg. Daraufhin setzte die Bundesregierung die Anwendung aus, ging aber vor dem Bundesverwaltungsgericht in Berufung, das den EuGH anrief.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sprach von einem „historischen Urteil“ und einem „guten Tag für die Bürgerrechte“.Er werde die anlasslose Vorratsdatenspeicherung nun zügig und endgültig aus dem Gesetz streichen und rasch ein neues Gesetz auf den Weg bringen. Buschmann kündigte die Vorlage eines Entwurfs bereits in den nächsten ein bis zwei Wochen an und verwies dabei erneut auf das sogenannte „Quick-Freeze“-Verfahren, um anlassbezogen und mit richterlichem Beschluss Telekommunikationsdaten für einen begrenzten Zeitraum speichern zu können. Bundesinnenministerin Nancy Faeser betonte, dass die anlasslose Speicherung von IP-Adressen vor allem bei der Verfolgung von sexueller Gewalt gegen Kinder für die Ermittler wesentlich sei.

Der EU-Abgeordnete Patrick Breyer von der Piratenpartei kritisierte hingegen, die massenhafte und flächendeckende Aufzeichnung der Kommunikation, Bewegungen und Internetnutzung völlig unbescholtener Menschen sei „eine totalitäre Maßnahme, die mit den Werten einer freien Demokratie nicht vereinbar“ sei. Eine IP-Vorratsdatenspeicherung würde alle Internetnutzer unter Generalverdacht stellen und ihre intimsten Vorlieben und Schwächen nachvollziehbar machen.

Erfreut zeigte sich der Digitalverband Bitkom: Es mache keinen Sinn, sich weiterhin an diesem Instrument der anlasslosen Speicherung von Verbindungsdaten abzuarbeiten, erklärte der Verband. „Die Politik ist aufgefordert, andere, und zwar gesetzeskonforme Möglichkeiten der digitalen Forensik zu nutzen.“ Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) verwies darauf, dass eine kurze Speicherdauer den Nutzen drastisch einschränke.

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