Deutschland zieht Euro-Wirtschaft runter
Deutschland zieht Euro-Wirtschaft runter
Einkaufsmanagerindex sinkt erneut – Rückgang breit basiert – Rezession droht
Die schwächelnde deutsche Wirtschaft zieht nun auch die Eurozone in Richtung Rezession. Die Unternehmensstimmung im gemeinsamen Währungsraum ist so schlecht wie seit knapp drei Jahren nicht mehr. Industrie und Dienstleister setzen ihre Talfahrt fort. Alles spricht für eine Pause im Zinszyklus der EZB.
ba Frankfurt
Nicht nur in Deutschland, auch im Euroraum stehen die Zeichen immer deutlicher auf Rezession. Jüngster Beleg sind die vorläufigen Ergebnisse der Einkaufsmanagerumfrage, die von einer beschleunigten Talfahrt zeugen. Die erneute Stimmungseintrübung, die sich nicht auf die Industrie beschränkt, sondern wieder auf die Dienstleister übergegriffen hat, bestärkt die Ökonomen, die unisono eine Zinspause der Europäischen Zentralbank (EZB) bei der Sitzung an diesem Donnerstag erwarten. Zum Jahresende hin dürften die Ökonomen der EZB dann ihren Konjunkturausblick senken – so wie zuletzt auch etliche Institutionen. In der September-Projektion der Notenbank war eine Rezession noch keine Option.
So schwach wie zu Coronazeiten
Im Oktober sank der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft (PMI Composite), also Industrie und Dienstleister zusammen, um 0,7 auf 46,5 Punkte und damit den niedrigsten Stand seit November 2020, also zu Hochzeiten der Corona-Pandemie. Mit Ausnahme der Monate während der Pandemie schrumpfte die Wirtschaftsleistung sogar so stark wie seit März 2013 nicht mehr, hieß es bei S&P Global. Ökonomen wurden von dem erneuten Minus überrascht: Im Schnitt hatten sie mit einer Stimmungsaufhellung und einem neuen Zählerstand von 47,4 im Oktober gerechnet.
„Es geht weiter bergab“
„In der Eurozone geht es weiter bergab“, kommentierte Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt des S&P-Partners Hamburg Commercial Bank. Denn das Stimmungsbarometer notiert nun noch weiter unter der neutralen 50er-Marke – Werte darunter signalisieren eine schrumpfende Aktivität. Der Rückgang war dabei breit basiert: „Die siebte Senkung der Industrieproduktion in Folge und die dritten Geschäftseinbußen im Servicesektor hintereinander belegen, dass die gesamte Wirtschaft vom Abschwung in Mitleidenschaft gezogen wurde“, hieß es bei S&P. Dies gilt auch mit Blick auf die Länderebene. In der Erstschätzung gibt es zwar nur Einzeldaten für Deutschland und Frankreich, für die übrigen von der Umfrage erfassten Ländern aber eine Pauschalaussage – und zwar, dass es zum dritten Mal hintereinander bergab ging. Und dies in einem Tempo wie zuletzt vor einem Jahr.
Bergab ging es auch in den beiden größten Euro-Volkswirtschaften, in Frankreich den zweiten Monat in Folge stärker als in Deutschland. Allerdings schwächte sich der Wachstumsrückgang in Frankreich gegenüber September leicht ab, da der kräftige Rückgang der Industrieproduktion von der langsameren Talfahrt der Dienstleister zum Teil kompensiert wurde. In Deutschland hingegen verschärfte sich das Tempo. Die Industrieproduktion sank weiter kräftig und das Barometer der Dienstleister rutschte nach einem Zuwachs im Vormonat wieder ins Minus.
„Denkbar schlechter Start“
„Deutschland startet in das letzte Quartal denkbar schlecht“, erklärte de la Rubia. Vieles deute darauf hin, dass sich Deutschland mitten in einer Rezession befinde, also zwei aufeinanderfolgenden Quartalen mit negativem Wachstum. Er rechnet für das dritte Quartal mit einem Minus von 0,8% und einem Rückgang um 0,4% im Schlussabschnitt. Sollten sich diese Prognosen bewahrheiten, würde die Wirtschaft 2023 um 0,8% schrumpfen. „Das würde die von der Regierung prognostizierte Schrumpfung von 0,4% eher rosig erscheinen lassen“, urteilt de la Rubia. Zudem wäre er auch „nicht überrascht, wenn wir in der zweiten Jahreshälfte eine leichte Rezession in der Eurozone erleben würden“.