LEITARTIKEL

Die Chance der Demokraten

Nach ihrer schlechtesten Woche seit Donald Trumps Amtsantritt befinden sich die Demokraten, die gehofft hatten, im November bei den Präsidentenwahlen einen Erdrutschsieg zu feiern, in der Defensive. Das Wahldebakel in Iowa, die relativ gelungene...

Die Chance der Demokraten

Nach ihrer schlechtesten Woche seit Donald Trumps Amtsantritt befinden sich die Demokraten, die gehofft hatten, im November bei den Präsidentenwahlen einen Erdrutschsieg zu feiern, in der Defensive. Das Wahldebakel in Iowa, die relativ gelungene Regierungserklärung des Präsidenten, eine unbeherrschte Oppositionschefin Nancy Pelosi, die trotzig Trumps Redetext zerriss, sowie Trumps Freispruch im Amtsenthebungsverfahren haben einem wieder erstarkten Präsidenten Mut gemacht. Er zieht ungestüm gegen politische Gegner zu Felde und brüstet sich mit soliden Konjunkturdaten, welche in der Tat seine beste Chance für eine Wiederwahl darstellen. Unterm Strich: Während Demokraten einen Scherbenhaufen aufzuräumen haben, hat ein insgesamt unpopulärer Präsident in der Wählergunst dennoch den höchsten Stand seit seinem Amtsbeginn erklommen.Dennoch bietet sich für Demokraten nun die Gelegenheit, sich zu rehabilitieren. Dass bei der ersten echten Vorwahl in New Hampshire zumindest ein Sieger feststeht, stellt immerhin einen bescheidenen Zwischenerfolg dar. Dass dieser Bernie Sanders heißt, dicht gefolgt vom ehemaligen Bürgermeister Pete Buttigieg, könnte aber zugleich eine Vorentscheidung zugunsten des Präsidenten darstellen.So ehrenwert seine politischen Anliegen nämlich sein mögen – von Steuernachlässen für Ärmere über gebührenfreies Studium bis hin zu erschwinglicher Krankenversorgung für alle Amerikaner -, ist Sanders nämlich dem Durchschnittswähler schlichtweg zu links. Dass ein Kandidat, der sich 2016 selbst zum “demokratischen Sozialisten” stempelte, im November Trump besiegen kann, ist angesichts der Umfragen zwar nicht unmöglich. Gerade vor dem Hintergrund der robusten Wirtschaft und des starken Arbeitsmarkts ist aber schwer vorstellbar, dass Trump gegen einen linksgerichteten Demokraten den Kürzeren ziehen würde.Hilfreich ist für Demokraten, dass sich das Bewerberfeld weiter lichtet. Am Dienstag warfen zwei weitere Kandidaten das Handtuch, und für den ehemaligen Vizepräsidenten Joe Biden, der auf breiter Front enttäuschte, scheint das Aus nur eine Frage der Zeit zu sein. Dabei war der einstige Hoffnungsträger Joe Biden zugleich Trumps Angstgegner, der auch die politische Basis des Präsidenten anspricht und ihm selbst dort hätte gefährlich werden können. Afroamerikanische Wähler stellen Bidens letzten, blassen Hoffnungsschimmer dar, werden seine Kandidatur aber wohl kaum retten können.Folglich bleiben als aussichtsreichste Kandidaten, die den Präsidenten am 3. November womöglich in die Knie zwingen könnten, Sanders, Buttigieg und der Multimilliardär Michael Bloomberg, der erst am Super Tuesday offiziell ins Rennen einsteigen will, seit Wochen aber mit einer millionenschweren Anzeigenkampagne Wähler bombardiert und in den Umfragen kräftig zugelegt hat.Buttigieg sei mit 38 zu jung und Bloomberg, der am Freitag 78 wird, zu alt, meinen Skeptiker. Beide vertreten aber einen moderaten Kurs, der neben Wechselwählern auch Trumps Basis anspricht. Mut machen müsste den Favoriten auch, dass alle im direkten Vergleich in Umfragen recht deutlich vor dem Präsidenten liegen.Ganz egal, wen die Partei im Juli in Milwaukee zum Spitzenkandidaten kürt, müssen dann alle an einem Strang ziehen. Wichtiger als der Name des Präsidentschaftskandidaten ist nämlich, dass sich alle hinter diesem vereinen, um dem “gefährlichsten Präsidenten in der modernen Geschichte”, wie Sanders ihn treffend nannte, das Handwerk zu legen.Für die tendenziell selbstzerstörerischen Demokraten ist nach wie vor die größte Gefahr, dass sie sich mit internen Streitereien zermürben, spalten und Trump als lachender Dritter dasteht, der sich auf Twitter über die Inkompetenz der Oppositionspartei mokiert. Inkompetenz haben die Demokraten nicht nur bei den Wählerversammlungen in Iowa und der Reaktion auf Trumps Regierungserklärung bewiesen.Vor vier Jahren scheiterten sie an dem Tauziehen zwischen Sanders und Hillary Clinton, die mit arrogantem Anspruchsdenken ihre Nominierung durchsetzte, sich aber als folgenschwere Fehlbesetzung herausstellte. Einen ähnlichen Fehler dürfen die Demokraten 2020 nicht machen, dafür steht zu viel auf dem Spiel: die Zukunft des amerikanischen Rechtsstaats und der weltgrößten Demokratie. ——Von Peter De ThierDie US-Demokraten müssen ihre Chance nutzen und im Interesse des Rechtsstaats einen tragfähigen Kandidaten gegen Donald Trump aufstellen.——