China

Die Delta-Falle schnappt zu

Für Chinas Wirtschaftslenker hat sich die Konjunktursteuerung während der ersten Jahreshälfte fast als Kinderspiel dargestellt. Im Zuge der kräftigen postpandemischen Wirtschaftserholung konnte man die Dinge laufen lassen und sich nebenbei darüber...

Die Delta-Falle schnappt zu

Für Chinas Wirtschaftslenker hat sich die Konjunktursteuerung während der ersten Jahreshälfte fast als Kinderspiel dargestellt. Im Zuge der kräftigen postpandemischen Wirtschaftserholung konnte man die Dinge laufen lassen und sich nebenbei darüber mokieren, wie westliche Länder im unablässigen Stimulierungsmodus verharren, ohne wirklich vom Fleck zu kommen. Mittlerweile sieht die Sache etwas anders aus. Man kann sich nicht länger auf dem Lorbeer ausruhen, dass China als einzige Nation die Konjunkturdynamik wieder auf den Stand vor Ausbruch der Corona-Pandemie gebracht hat. Seit Sommerbeginn nämlich zeigen Konjunkturindikatoren eine unsanfte Entschleunigung an, die einiges Kopfzerbrechen bereitet.

Die jüngsten Leistungsdaten für den Monat Juli wirken ernüchternd. Industrieproduktion und Einzelhandelsumsätze sind mit 6,4 beziehungsweise 8,5% auf den ersten Blick gut vorangekommen, aber hier schönen die berühmten Basiseffekte das Bild. Die Analystenprognosen für Industrie- und Konsumentwicklung wurden erstmals in diesem Jahr kräftig verfehlt. Bemüht man einen Zweijahresvergleich zur Bereinigung um Corona-Effekte, landet man beim Einzelhandel mit zuletzt 3,5% Anstieg bei einem für chinesische Verhältnisse indiskutablen Wert. Da zuletzt auch die Exportdynamik zurückgekommen ist und eine drastische Erzeugerpreishausse kleinen und mittleren Unternehmen heftig zusetzt, tun sich an allen Ecken und Enden Probleme auf.

Freilich muss man berücksichtigen, dass einige witterungsbedingte Sonderfaktoren, wie die Flutkatastrophe in Zentralchina, das Bild getrübt haben. Hinzu kam Ende Juli das Aufleben von Corona-Ansteckungsgefahren, auf die Peking mit beinharten Restriktionsmaßnahmen in be­troffenen Gebieten reagiert. Angesichts der bisherigen Erfolge bei der Zurückdrängung von Corona ist man in China geneigt, die kleine Welle von Ansteckungen mit der Delta-Variante ebenfalls als vorübergehenden Sonderfaktor zu bezeichnen. Das dürfte sich aber als Trugschluss erweisen.

Schließlich sind es nicht die Ansteckungsfälle selber, die der Konjunktur zusetzen, sondern Restriktionsmaßnahmen wie spontane Lockdowns in Großstädten, die Sperrung von Containerhäfen und Einschränkungen im Reiseverkehr. Wenn sich China auch in den kommenden Monaten einer radikalen Nulltoleranzpolitik verschreibt und jedes Aufblitzen von vereinzelten Corona-Fällen zum Anlass für harte Beschränkungen nimmt, werden die konjunkturellen Beeinträchtigungen rasch zum Dauerzustand.