Die EZB und ihre Unabhängigkeit

Von Mark Schrörs, Frankfurt Börsen-Zeitung, 19.1.2017 Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat dieser Tage auf ihrer Internetseite ein Erklärstück veröffentlicht mit dem Titel "Warum ist die EZB unabhängig?" - just...

Die EZB und ihre Unabhängigkeit

Von Mark Schrörs, FrankfurtEin Schelm, wer Böses dabei denkt. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat dieser Tage auf ihrer Internetseite ein Erklärstück veröffentlicht mit dem Titel “Warum ist die EZB unabhängig?” – just zu einer Zeit, da in Deutschland angesichts der Ende 2016 rasant gestiegenen Inflation die Kritik an der ultralockeren Geldpolitik der EZB erneut an Schärfe gewinnt und Erinnerungen an das Frühjahr 2016 wach werden: Da war es zum offenen verbalen Schlagabtausch zwischen EZB und konservativen Politikern, allen voran Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), gekommen – inklusive Forderungen nach einer Einmischung der Bundesregierung in die Geldpolitik.Nun wäre es ganz sicher übertrieben zu sagen, dass die EZB mit dem Erklärstück auf die jüngste Kritik oder gar auf einzelne Aussagen wie jene von Bayerns Finanzminister Markus Söder reagiert, der die EZB-Politik als “verheerend” für deutsche Sparer attackiert hatte. Ganz sicher aber steht die Veröffentlichung auch nicht komplett im luftleeren Raum. Die Euro-Hüter pochen auf ihre Unabhängigkeit und reagieren allergisch auf jegliche Versuche der Einflussnahme auf ihre geldpolitischen Entscheidungen – auch wenn zur ganzen Wahrheit gehört, dass sie sich in der Euro-Krise mitunter selbst in eine mehr als kritische Nähe zur Politik manövriert haben.In dem Erklärstück jedenfalls ist die Botschaft eindeutig: “Die politische Unabhängigkeit der EZB trägt maßgeblich zu ihrem vorrangigen Ziel, der Gewährleistung der Preisstabilität, bei”, heißt es etwa darin – und weiter: “Umfangreiche empirische Daten und theoretische Analysen haben gezeigt, dass unabhängige Zentralbanken besser in der Lage sind, die Inflationsrate niedrig zu halten.” Oder auch: “Sie (die politische Unabhängigkeit) stellt einen Eckpfeiler des Währungssystems des Euroraums dar.” Kurzum: Wer die Unabhängigkeit der EZB attackiert, riskiert mehr Inflation. Das können doch gerade die Deutschen nicht wollen, oder?Bereits im vergangenen Frühjahr hatte Ex-EZB-Präsident Jean-Claude Trichet im Interview der Börsen-Zeitung die damaligen Angriffe aus Berlin auf die EZB und Notenbankchef Mario Draghi als “vollkommen inakzeptabel” kritisiert und zugleich daran erinnert, dass die Deutschen immer “leidenschaftliche Verteidiger der Unabhängigkeit der EZB” gewesen seien und sie “der Preisstabilität vollkommen verpflichtet” seien (vgl. BZ vom 10.5.2016). Spitzer formulierte es damals Frankreichs Finanzminister Michel Sapin: Frankreich habe schmerzlich lernen müssen, dass man die Unabhängigkeit der EZB vollständig respektieren müsse: “Ich hoffe, dass unsere deutschen Freunde sich an diesen Punkt erinnern.”Jenseits solcher Scharmützel ist die Unabhängigkeit der Zentralbanken, die lange Zeit als unantastbar galt, tatsächlich inzwischen ein großes Thema nicht nur in Fachzirkeln, sondern auch in der Öffentlichkeit. Das gilt nicht zuletzt für die USA, wo Präsident in spe Donald Trump Notenbankchefin Janet Yellen scharf angegriffen hat, sondern auch für andere Währungsräume wie Großbritannien oder eben Euroland. Hintergrund sind sowohl einige sehr umstrittene Maßnahmen im Antikrisenmanagement, aber auch die immer weiter gewachsene Machtfülle der Währungshüter. In einer aktuellen Umfrage der Forschungsinstitute CFM und CEPR zeigte sich denn auch immerhin rund ein Drittel der befragten Ökonomen überzeugt, dass EZB und Bank of England binnen der nächsten vier Jahre an Unabhängigkeit einbüßen werden. Dabei gilt die Unabhängigkeit der Geldpolitik in der Tat als sehr hohes Gut.Einen Vorteil bietet die Debatte über das Thema Unabhängigkeit indes für die EZB: Während der geldpolitische Kurs der nächsten Monate beziehungsweise des nächsten Jahres im EZB-Rat derzeit heftig umstritten ist – nicht zuletzt zwischen EZB-Präsident Draghi und Bundesbankchef Jens Weidmann -, schließen sich die Reihen stets sehr schnell, wenn es um die Verteidigung der Unabhängigkeit geht, wie nun auch mittels dieses Erklärstücks. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. ——–Die EZB erklärt im Netz ihre Unabhängigkeit – während in Deutschland die Kritik wieder wächst.——-