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Die Farbe der chinesischen Katze

Börsen-Zeitung, 12.1.2019 Da haben den China-Verstehern und Panda-Umarmern aber die Ohren geklungen. "Viel zu naiv" seien viele Unternehmen und Politiker im Umgang mit China. Bei diesem Zwischenruf vom vergangenen Donnerstag handelte es sich...

Die Farbe der chinesischen Katze

Da haben den China-Verstehern und Panda-Umarmern aber die Ohren geklungen. “Viel zu naiv” seien viele Unternehmen und Politiker im Umgang mit China. Bei diesem Zwischenruf vom vergangenen Donnerstag handelte es sich freilich nicht um einen Tweet von “PotUS” Donald Trump nach den marginalen Fortschritten im amerikanisch-chinesischen Handelskonflikt. Es war vielmehr eine Interview-Äußerung von Michael Hüther, Präsident des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Damit stieß er ins gleiche Horn wie der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI), der am selben Tag ein Grundsatzpapier zum “Partner und systemischen Wettbewerber” China vorlegte (vgl. BZ vom 11. Januar). Die darin enthaltenen 54 Forderungen dokumentieren eine deutlich weniger euphorische Einschätzung des wichtigsten Handelspartners Deutschlands außerhalb der EU als in der Vergangenheit. Sie münden in der Feststellung, dass nur ein starkes, reformiertes Europa überhaupt die Chance habe, den wirtschaftlichen und politischen “Herausforderungen” durch China gewachsen zu sein. Keine KonvergenzDie lange Zeit herrschende “Konvergenzthese”, wonach sich China durch die Integration in die Weltwirtschaft allmählich auf die liberalen, offenen Marktwirtschaften westlichen Musters zubewegen würde, sei nicht mehr haltbar, stellt der BDI ernüchtert fest. Selbstkritisch merkt auch Hüther an, dass man zu lange angenommen habe, Marktwirtschaft, Liberalismus und Demokratie würden einander bedingen. Nach dieser Logik hätte man nur lange genug Freihandel treiben müssen, damit China zu einer Demokratie werde. Hauptsache, sie fängt MäuseNun, da haben manche Hayeks “Der Weg zur Knechtschaft” falsch verstanden. Die These des liberalen Ökonomen und Nobelpreisträgers, wonach zunehmende Eingriffe in eine kapitalistische Marktwirtschaft, beispielsweise durch Verstaatlichungen und einen ausufernden Sozialstaat, auf Dauer auch die Demokratie aushöhlen und in die “Knechtschaft” des Totalitarismus führen, gilt eben nicht im Umkehrschluss. Es gibt keine Demokratie ohne Kapitalismus, aber es kann durchaus Kapitalismus ohne Demokratie geben. Der Staatskapitalismus Chinas ist der beste Beweis. Ob ein solches System auf Dauer effizient und überlebensfähig ist, steht auf einem anderen Blatt.Deshalb war es für das totalitäre China durchaus möglich, sich kapitalistischen Wirtschaftsmethoden zu öffnen, ohne parallel den Weg Richtung Demokratie zu beschreiten. Der legendäre Deng Xiaoping, der vor 40 Jahren China auf den Weg der marktwirtschaftlichen Öffnung schickte, hatte das Motto: “Egal, ob die Katze schwarz oder weiß ist, Hauptsache ist, sie fängt Mäuse.” Und in der Folge war auch den westlichen Handelspartnern und Investoren die Farbe der Katze egal, solange die Geschäfte brummten. Wandel durch Handel?Diese Einstellung prägt bis heute die Sicht vieler Unternehmer und Politiker hierzulande, die wie der Deutsche Industrie- und Handelskammerverband DIHK immer noch auf “Wandel durch Handel” setzen. Sie haben nicht mitbekommen, dass seit kurzem die Farbe der Katze immer häufiger eine Rolle spielt. China fährt unter dem diktatorischen Parteichef und Staatspräsident Xi Jinping eine spürbar merkantilistischere und nationalistischere Linie als unter seinen Vorgängern, auch wenn bei internationalen Gipfeltreffen scheinheilig dem freien Handel das Wort geredet wird. Die kommunistische Partei hat unter Xi Jinping die Zügel angezogen, um dessen Ziel “China 2025”, die Innovationsführerschaft in praktisch allen Schlüsselbranchen, zu erreichen. Schritte zu diesem Ziel sind ein forcierter Technologietransfer, die Bildung nationaler Champions, gezielte Subventionen, Marktabschottung und zunehmende staatliche Eingriffe in den Markt. Dabei beschränken sich Chinas Ambitionen längst nicht mehr aufs eigene Staatsgebiet, wie die Taiwan-Politik und die Belt-and-Road-Initiative zeigen.Die realistische Einschätzung des chinesischen Powerplay durch die deutsche Industrie und die Politik ist das eine, die richtige Reaktion darauf das andere. Die verschärfte Kontrolle für Investitionen aus Nicht-EU-Ländern, wie sie die geänderte Außenwirtschaftsverordnung mit der von 25 auf 10 % gesenkten Prüfschwelle vorsieht, ist jedenfalls nicht die richtige Antwort, wenn dies zu einem Flickenteppich unterschiedlicher nationaler Regelungen führt, wie dies in der EU der Fall ist. Zentrale Bedeutung kommt einer konsequenten europäischen Wettbewerbspolitik zu. Damit ließen sich “unfaire” Firmenübernahmen durch staatlich finanzierte Erwerber ebenso verhindern wie Markteroberungen dank subventionierter Dumpingpreise. Bei Ausschreibungen, an denen sich Nicht-EU-Anbieter wie chinesische Staatskonzerne beteiligen, wäre dies genau zu prüfen. Der falsche Weg wäre es jedenfalls, im Gegenzug europäische Champions bilden zu wollen und damit den Wettbewerb im Heimatmarkt Europa auszuhebeln, wie das Siemens und Alstom in der Bahntechnik vorschwebt. Standards setzenDas Gegenteil weist in die Zukunft: Den Wettbewerb und damit die Leistungsfähigkeit der europäischen Unternehmen zu stärken, damit sie auf einem Level Playing Field, für das die Politik zu sorgen hat, konkurrenzfähig bleiben. Und es liegt an den Unternehmen, in ihren Werken in China nicht nur dieselben Umwelt- und Sicherheitsstandards wie im Westen einzuhalten, sondern auch dieselben ethischen Standards und Governance-Regeln. Den Unternehmen dabei den Rücken zu stärken ist Aufgabe der Politik. Es wäre fatal, wenn es zur Konvergenz in die andere Richtung käme und es China mit seinem Staatskapitalismus gelänge, den demokratischen Marktwirtschaften Europas ein weniger freiheitliches und weniger soziales System aufzuzwingen.—– c.doering@boersen-zeitung.de—–Von Claus DöringEuropa muss eine Antwort auf die Herausforderung durch den chinesischen Staatskapitalismus finden. Sonst droht Konvergenz in die falsche Richtung. —–