Die Frau mit dem Geldkoffer ist da
Von Andreas Heitker, Brüssel
Ursula von der Leyen hält ihr Smartphone stolz in die Kamera. Sie hat es schon, das digitale EU-Zertifikat, das bestätigt, dass eine Person geimpft, getestet oder genesen ist, und das das Reisen künftig erleichtern soll. Für die Kommissionspräsidentin konnte ihre Sommerreise durch alle 27 EU-Hauptstädte damit am Mittwochvormittag losgehen. Erste Destination: Lissabon. Dass Portugal noch gar nicht an das neue digitale Covid-System angeschlossen ist und von der Leyen ihr schickes Zertifikat dort gar nicht gebrauchen kann? Geschenkt. Es geht bei der Reise schließlich um viel mehr.
Die EU-Kommission hat die ersten nationalen Investitionspläne freigegeben, die aus dem Corona-Wiederaufbaufonds finanziert werden sollen. Und die Chefin der Brüsseler Behörde will es sich jetzt nicht nehmen lassen, den jeweiligen Regierungen die frohe Botschaft in Form der Prüfergebnisse persönlich vorbeizubringen – verbunden mit der Mahnung, die europäischen Gelder auch wirklich effektiv einzusetzen, und vielleicht auch noch mit dem einen oder anderen öffentlichkeitswirksamen Fototermin bei einem der Projekte, die künftig aus Brüssel finanziert werden. Dass man aus ökologischen Gründen auch auf die Dutzende von zusätzlichen Flügen hätte verzichten und einfach hätte telefonieren können? Ebenfalls geschenkt. Es geht hier ja um viele Milliarden für die Mitgliedstaaten und einen immensen Machtzuwachs der Europäischen Kommission, die das Geld an den Märkten aufnimmt und dann auch federführend verteilt.
Am Mittwoch weilte von der Leyen daher erst in Lissabon und reiste dann weiter nach Madrid. Donnerstag stehen Athen und Kopenhagen auf der Route. Am Freitag folgt Luxemburg. Portugal, das Land, das aktuell die EU-Ratspräsidentschaft innehat und auch als erstes Land einen Aufbauplan in Brüssel zur Prüfung vorgelegt hat, erhielt grünes Licht für die beantragten 16,6 Mrd. Euro. 13,9 Mrd. Euro davon müssen nicht zurückgezahlt werden. 2,7 Mrd. Euro fließen in Form von Krediten. Auch Spanien – der neben Italien größte Nutznießer des Fonds – erhielt am Mittwoch schon die Genehmigung für seinen Aufbauplan aus Brüssel. Hier geht es um Zuschüsse von insgesamt 69,5 Mrd. Euro.
13% der Summe erhält jedes Land erst einmal als Vorfinanzierung der Projekte. Dies sind in Portugal 2,2 Mrd. und in Spanien sogar 9 Mrd. Euro. Am Dienstag hat die EU-Kommission erste Anleihen zur Finanzierung des Wiederaufbaufonds begeben. 20 Mrd. Euro liegen nun in Brüssel zur Verteilung bereit. Doch nicht dass jetzt schon falsche Erwartungen geweckt werden: Die Schecks, die Ursula von der Leyen aktuell vielleicht im Reisegepäck hat, sind allenfalls symbolischer Natur.
Denn nach der Kommission muss auch der Rat – sprich: die EU-Mitgliedsländer – die einzelnen Investitionspläne noch prüfen und freigeben. Erst dann kann das Geld auch ausgezahlt werden. Wie in Brüssel zu hören ist, könnte die erste Hälfte der Genehmigungen von den Wirtschafts- und Finanzministern auf dem Ecofin-Rat am 13. Juli erteilt werden. Die anderen Länder müssen sich dann wohl noch ein paar Wochen länger gedulden.