LEITARTIKEL

Die kraftlose Eurogruppe

Die Euro-Finanzminister haben in den vergangenen Monaten einmal mehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt, wie schwer es in Nicht-Krisenzeiten ist, eine weitere Vertiefung der Währungsunion voranzutreiben. Selbst die kleinsten Reformschrittchen sind...

Die kraftlose Eurogruppe

Die Euro-Finanzminister haben in den vergangenen Monaten einmal mehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt, wie schwer es in Nicht-Krisenzeiten ist, eine weitere Vertiefung der Währungsunion voranzutreiben. Selbst die kleinsten Reformschrittchen sind nur unter größten Schmerzen und nach langen Diskussionen beschlussfähig. In der vergangenen Woche haben sich die Minister in Luxemburg noch einmal 15 Stunden lang die Köpfe heiß geredet, um dann schließlich gegen 4.30 Uhr am Freitagmorgen einen “Deal”, eine “Einigung” sowie einen “Durchbruch” zu verkünden. Wer aber die genauen Fortschritte gegenüber dem Paket suchte, das schon im letzten Dezember geschnürt worden war, der brauchte eine gute Lupe.Beim Eurozonen-Budget zeigt sich sehr anschaulich, dass Verständigungen in der Eurogruppe zurzeit nur auf einem so geringen gemeinsamen Nenner möglich sind, dass ihr Nutzen kaum noch zu vermitteln ist. Auch nach der jüngsten Nachtsitzung kennt niemand die Größe und niemand die Finanzierung dieses neuen Etats. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte einst jährliche Summen im dreistelligen Milliarden-Euro-Bereich gefordert. Derzeit läuft es auf ein Volumen im niedrigen einstelligen Bereich hinaus. Niemand kann zudem Sinn und Zweck des Budgets so richtig erklären. Die Befürworter hoffen, dass man den Etat in schwierigen Zeiten irgendwie zur Krisenabwehr aufblasen kann. Wer weiß, wozu man das Budget noch mal gebrauchen kann, ist eine der entlarvenden Antworten, die rund um die Eurogruppe häufig zu hören ist. Die Gegner hoffen einfach nur, dass der neue Etat keinen Schaden anrichtet und nicht zu spürbaren zusätzlichen Transfers führt.Was der Eurozone eigentlich fehlt, wäre eine zusätzliche Stabilisierungsfunktion, mit der in einer Krise gegengesteuert werden könnte. Die Europäische Zentralbank (EZB) fordert eine solche Fiskalkapazität. Der Internationale Währungsfonds (IWF) auch. Ebenso der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) und viele Volkswirte. Auch der ursprüngliche deutsch-französische Vorschlag für ein Eurozonen-Budget hatte eine stabilisierende Komponente. Aber dagegen gab es von der sogenannten Hanse-Gruppe unter Führung der Niederlande einen solchen Widerstand, dass diese Funktion wieder gestrichen wurde. Daher heißt das Euro-Budget mittlerweile im Brüsseler Jargon auch nur noch BICC (Budgetary Instrument for Convergence and Competitiveness). Es ist nun ein Instrument, das Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit in der Eurozone unterstützen soll. Es soll Strukturreformen und öffentliche Investitionen fördern. Dass es hierfür auch schon den normalen EU-Haushalt, die Kohäsionsfonds oder Investitionsförderprogramme wie den Europäischen Fonds für Strategische Investitionen (EFSI) gibt, wird nicht weiter beachtet. Dass ein komplexes neues Instrument kreiert wird, das nach dem Brexit gerade einmal eine Handvoll kleiner EU-Staaten ausschließt, macht es nicht besser.Auch bei anderen Reformen, die die Währungsunion robuster und krisensicherer machen sollen, geht es in der Eurogruppe derzeit gar nicht (siehe Einlagensicherung) oder nur in Trippelschritten voran, wie etwa bei der Weiterentwicklung des Eurorettungsschirms. Und auch wenn es beim ESM immerhin in die richtige Richtung geht, sowohl in Bezug auf die Letztsicherung bei der Bankenabwicklung als auch bei den künftigen Zuständigkeiten – auch hier hat es die kraftlose Eurogruppe bisher nicht geschafft, die erforderlichen Vertragsänderungen rechtzeitig und abschließend zu behandeln. Die sehr detaillierten politischen Verständigungen liegen seit Dezember auf dem Tisch. Es ging nur noch darum, sie in juristisch wasserdichte Vertragstexte zu übersetzen. Doch noch bis letzte Woche wurde auch hier um jede Formulierung gerungen. Und da noch nicht alle Begleittexte fertig sind, geht es auch bei der ESM-Reform in eine weitere Ehrenrunde. Bis die Vertragsänderungen nach den Ratifizierungen implementiert sind, dürften zwei weitere Jahre vergehen.——Von Andreas HeitkerBeim Eurozonen-Budget zeigt sich sehr anschaulich, wie schwer es ist, in Nicht-Krisenzeiten Reformen in der Währungsunion durchzusetzen.——