Die Mahnerin

Von Mark Schrörs, Frankfurt Börsen-Zeitung, 6.4.2016 In der kommenden Woche wird IWF-Chefin Christine Lagarde wieder die gesammelte Finanzelite in Washington begrüßen - zur Frühjahrstagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank. Die...

Die Mahnerin

Von Mark Schrörs, FrankfurtIn der kommenden Woche wird IWF-Chefin Christine Lagarde wieder die gesammelte Finanzelite in Washington begrüßen – zur Frühjahrstagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank. Die Finanzminister und Notenbankchefs der aktuell 188 Mitglieder werden dann in die US-Kapitale pilgern, nebst jeder Menge anderer Finanzexperten, Ökonomen und Banker. Gestern aber war die 60-Jährige zunächst noch einmal selbst Gast, in Frankfurt, der deutschen Finanzmetropole – und dort bereitete sie das Feld für die Tagung bereits vor.Schon traditionell gibt Lagarde wenige Tage vor einer IWF-Tagung einen Ausblick – eine sogenannte “Curtain Raiser”-Rede. Dieses Mal suchte sie sich dafür Deutschland aus. Das hat sicherlich damit zu tun, dass Deutschland als viertgrößtem Anteilseigner des Fonds eine besondere Rolle zukommt. Es gab Lagarde, die sich gestern später in Berlin auch noch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) traf, aber zugleich die Gelegenheit, speziell in Deutschland noch einmal für ihre Positionen zu werben – die in Berlin und Frankfurt keineswegs alle auf Zustimmung stoßen.In ihrer Rede vor mehr als 200 Gästen in der Goethe-Universität betonte die Französin mit Blick auf die Weltwirtschaft, dass es keinen Grund gebe, Alarm zu schlagen. Genauso wenig aber gebe es Anlass zur Selbstzufriedenheit: Die Wirtschaft erhole sich zwar weiter. Die Erholung gehe aber “zu langsam” voran und bei vielen Menschen komme sie gar nicht an. Zudem hätten die Risiken zugenommen. “Die Gefahr, in einem Zustand gefangen zu sein, den ich als ,neue Mittelmäßigkeit` bezeichnet habe, ist größer geworden”, sagte sie und griff damit einen Terminus aus dem Vorjahr auf, der bei einigen IWF-Mitgliedern reichlich Kritik geerntet hatte.Um die Weltwirtschaft voranzubringen, forderte Lagarde einen Dreiklang aus Struktur-, Fiskal- und Geldpolitik. “Das klingt vielleicht nicht besonders originell”, räumte sie ein, fügte aber hinzu: “Wenn jedes Land seinen Beitrag leistet, kann aus diesen Maßnahmen ein gewaltiges globales Paket werden – ein Paket, das größer ist als die Summe seiner Teile.” Diese Botschaft wird sie wohl in den Tagen bis zur Tagung und in Washington immer wieder verkünden.Als Teil eins dieses Pakets sieht Lagarde Strukturreformen. Es gehe jetzt aber nicht um neue Zusagen, sondern darum, vergangene Vorhaben umzusetzen. “Jetzt gilt es, konkret zu werden”, sagte sie. Im Euroraum etwa müsse das Ziel eine Politik sein, die Ausbildung und Arbeitschancen besser aufeinander abstimmt. Sie erinnerte in dem Kontext auch an die Zusage der G 20-Staaten, das weltweite Bruttoinlandsprodukt (BIP) um weitere 2 Prozentpunkte anzuheben. Dieses Ziel sollten die Staaten auf 2016 vorziehen. Mit dem Ruf nach Strukturreformen stellt sich Lagarde hinter die deutsche Position, die den Schwerpunkt in diesem Bereich sieht. Spielraum für FiskalstimuliAls zweiten Teil sieht Lagarde die Fiskalpolitik. Die meisten Länder müssten einen Weg zu einer wachstumsfreundlicheren Politik finden. Einige Länder hätten aber vielleicht auch “Spielraum für fiskalische Expansion”. So mancher im IWF, wie auch in den USA und bei den Euro-Partnern, denkt da gerne auch an Konjunkturpakete in Deutschland – was regelmäßig für Unmut in Berlin sorgt. Lagarde lobte gestern aber auch die Pläne Deutschlands, zwischen 2015 und 2018 die öffentlichen Investitionen um 17 Mrd. Euro zu erweitern und 2016 auch Steuererleichterungen anzubieten. Zudem machte sie klar, dass es um effiziente öffentliche Investitionen gehen müsse – womit sie wieder auf Linie mit vielen deutschen Zuhörern lag.Struktur- und Fiskalpolitik müssten aber – als drittem Teil des Pakets – Unterstützung von einer lockeren Geldpolitik erhalten, sagte Lagarde. Sie sprach der Europäischen Zentralbank und deren Präsidenten Mario Draghi ihr “Lob” aus für die ergriffenen Maßnahmen. Auch die Einführung von Negativzinsen bewertete sie als “positiv”. In Deutschland aber wird der Kurs immer kritischer gesehen – nicht zuletzt in der Berliner Politik. Lagarde betonte aber auch, dass die Geldpolitik “nicht die einzige Lösung für die Erholung” sei.Großes Lob für Kanzlerin Merkel und die Deutschen gab es dagegen für den Kurs in der Flüchtlingskrise. “Ich habe den Respekt, den die Welt Deutschland für seinen zutiefst humanistischen Ansatz in der Flüchtlingskrise entgegenbringt, aus erster Hand erfahren”, sagte Lagarde.Der Streit zwischen IWF und Griechenland über die Zukunft des Landes war in Lagardes Rede kein Thema – und auch bei der Fragerunde, die letztlich auch nur aus einer Frage bestand, blieb das außen vor. So leicht wird Lagarde dieses Thema aber nächste Woche in Washington sicher nicht abhaken können (siehe auch Bericht auf Seite 7). ——–Lagarde formuliert ihre Botschaften für die IWF-Tagung. Nicht alles wird den Deutschen gefallen.——-