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Die Mär vom Kaputtsparen

Börsen-Zeitung, 12.5.2012 Das hat die schwäbische Hausfrau nicht verdient. Überall muss sie als Sinnbild der sparsamen Deutschen herhalten, die der Eurolandkrise mit Rezepten von gestern beikommen wollen. Provinziell, gerade mal der Grundrechenarten...

Die Mär vom Kaputtsparen

Das hat die schwäbische Hausfrau nicht verdient. Überall muss sie als Sinnbild der sparsamen Deutschen herhalten, die der Eurolandkrise mit Rezepten von gestern beikommen wollen. Provinziell, gerade mal der Grundrechenarten mächtig und unbeleckt von der globalen Welt und insbesondere den neokeynesianischen Heilsversprechungen der modernen Volkswirtschaftslehre. BegriffsverwirrungDank Deutschland spare sich Euroland zu Tode, behaupten freilich nicht nur die üblichen Verdächtigen von den Gewerkschaftsökonomen bis zu den Altkommunisten der Linkspartei. Ins selbe Horn stoßen auch die Apologeten des Kapitalismus, von den Chefvolkswirten angelsächsischer Banken bis zu Vorzeigeökonomen und Krisenpropheten vom Schlage eines Paul Krugman. Eines haben sie alle gemein: Erstens leiden sie offenkundig unter Begriffsverwirrung, wenn sie von “Sparen” reden. Und zweitens kennen sie nicht die Funktionsweise Eurolands und seiner Institutionen. Letzteres wird in den nächsten Tagen wieder besonders deutlich werden, wenn sich die Welt zum G 8-Gipfel in Camp David trifft und dort die Chefökonomen des IWF und der angelsächsischen Think-Tanks der Eurozone gute Ratschläge zur Krisenbewältigung geben werden. Euroland spare sich kaputt – diese Plattitüde gehört seit Monaten zum Standardrepertoire vieler Volkswirte. Aber wo bitteschön wird in Euroland bisher gespart? Mit Ausnahme von Estland wird in allen anderen Ländern der Währungsunion von Jahr zu Jahr mehr Geld ausgegeben, und zwar Geld, das man nicht hat und deshalb über zusätzliche Schulden aufnehmen muss. Nenne doch bitte jemand ein größeres Land in der Eurozone, in dem wirklich gespart wird, also die Nettokreditaufnahme negativ ist. Nicht einmal in Deutschland mit einer brummenden Konjunktur, wo das Wachstum der zusätzlichen Verschuldung jetzt immer noch 1 % ausmacht, ist das bisher gelungen. Wirklich gespart wird also nirgends, nur das Tempo des zusätzlichen Geldausgebens durch die öffentliche Hand soll nun gedrosselt werden. Rat von Finanz-AlchemistenAuch der so angefeindete Fiskalpakt ist kein Sparprogramm. Aber er hat das richtige Ziel, nämlich den Schuldenberg nicht weiter ausufern zu lassen. Steigende öffentliche Verschuldung bedeutet steigende Schuldzinsen und damit noch weniger Spielraum für Investitionen oder konsumtive Zwecke. Bei sinkenden Zinsen, wie aktuell für den Schuldner Deutschland, mag die strangulierende Wirkung einer solchen Politik zunächst nicht spürbar sein. Doch ist es eine Frage der Zeit, bis fehlende Haushaltsdisziplin zur Verschlechterung der Kreditwürdigkeit und Ausweitung der Spreads führt oder ein generell steigendes Zinsniveau dem munteren Leben auf Pump ein Ende bereitet.Für den Staat gilt dasselbe wie für jeden privaten Haushalt und jedes Unternehmen: Man kann auf Dauer nicht mehr ausgeben, als man einnimmt. Wer das Gegenteil behauptet, ist ein Hochstapler oder Finanz-Alchemist. Oder ein Umverteiler. Denn wer es schafft, für seine Schulden andere aufkommen zu lassen, seien es die Nachfahren oder die Nachbarn, kann sich dem Sparzwang entziehen. Genau darum geht es aktuell in der Debatte um Sparprogramm, Fiskalpakt und Wachstumsförderung. Nachdem der Fiskalpakt und die Einführung von Schuldengrenzen das Leben auf Kosten der nächsten Generationen begrenzen sollen, gewinnt der Umverteilungskampf zwischen den Euro-Ländern an Schärfe. Griechenland testet gerade unverblümt die Grenzen, ab denen die Gemeinschaft der anderen Euro-Länder die Reißleine zieht. Spanien, Portugal und Italien prüfen noch die Tragfähigkeit der bestehenden Haftungsgemeinschaft. USA und Japan kein VorbildSchon aufgrund dieser speziellen Verhältnisse in der Eurozone laufen die Empfehlungen vieler US-Ökonomen, dem amerikanischen oder japanischen Vorbild staatlicher Ausgabenprogramme nachzueifern, ins Leere. Wenn die USA oder Japan sich bis über beide Ohren verschulden, dann müssen die Bürger dieser Länder die Suppe eines Tages auslöffeln. Die Japaner übrigens löffeln seit Jahren in Gestalt einer stagnierenden Wirtschaft, und der Schuldenteller ist mit 200 % des Bruttoinlandsprodukts immer noch randvoll.Wenn wachsende Verschuldung die USA das Triple-A-Rating kostet und deren Refinanzierung an den Märkten verteuert, trifft das die US-Bürger. Wenn sich aber Griechen oder Italiener bis zum Umfallen mit Staatsschulden vollpumpen, anfänglich als Euroland-Clubmitglied verführt durch Flatrate-Anleihen, dann haften dafür in gewissem Umfang auch deutsche, französische oder finnische Steuerzahler. Damit die Steuerzahler in den betroffenen Ländern nicht aufschreien und sich verweigern, wird den Umverteilungs- und Enteignungsversuchen ein unverdächtiger, schöner Name gegeben: Wachstumspakt. Es wird suggeriert, dass der Zweck die Mittel, sprich das Wachstum die zusätzliche Verschuldung heiligen könnte. Schon die These, dass zusätzliche Ausgaben zu Wachstum führen, ist gewagt. Wenn die Ausgaben dazu dienen, griechischen Arbeitnehmern die Frühpensionierung zu finanzieren oder spanischen Jugendlichen die Arbeitslosigkeit ertragbarer zu gestalten, dann mag das sozial sein und auch das Herz wärmen, aber Wachstum schafft das nicht. Selbst staatliche Investitionen in Bildung, Gesundheit und Infrastruktur führen zwar in der Regel zu größerer Wohlfahrt, aber nicht unbedingt zu messbarem Wachstum. Von Ausgabenprogrammen kommt im Durchschnitt nur die Hälfte bei Unternehmen und Bürgern an, die andere Hälfte “verbraucht” der Staat selbst.Bisher wird in Euroland weder gespart noch anderweitig der Gürtel enger geschnallt. Auch die Geldpolitik ist unverändert expansiv und bewegt sich mit ihren Sonderprogrammen hart an der Grenze zur Staatsfinanzierung. Mit anderen Worten: Wir leben in Euroland immer noch über unsere Verhältnisse. Von schwäbischer Hausfrau keine Spur.—– c.doering@boersen-zeitung.de——–Von Claus Döring ——-Der Fiskalpakt ist zwingend. Denn mit Ausnahme Estlands wird in der Eurozone bisher nirgendwo gespart.