Die Rückkehr der Handelskrieger
Der globale Handelsstreit spitzt sich zu: Die USA verhängen am heutigen Freitag neue Zölle auf chinesische Produkte – und Peking will Vergeltung üben. Auch die USA und Europa liegen über Kreuz. Was muss geschehen, damit das multilaterale Handelssystem überlebt?Von Julia Wacket, Frankfurt US-Präsident Donald Trump hat düstere Erinnerungen an die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen wachgerufen, als er im März damit prahlte, Handelskriege seien “leicht zu gewinnen”, und als er begann, protektionistische Maßnahmen gegen einen Verbündeten nach dem Nächsten aufzuerlegen. Es gab Zölle auf Solarpanels und Waschmaschinen, Zölle auf Aluminium und Stahl und Androhungen von Zöllen auf chinesische Importe im Wert von mittlerweile 250 Mrd. Dollar. Schließlich schwebt noch das Damoklesschwert Autozölle über den Köpfen der Europäer.Das multilaterale Handelssystem steckt jedoch nicht erst seit Trump in der Krise. Seit dem Scheitern der Doha-Runde 1994 wurden keine multilateralen Zollsenkungen mehr beschlossen. Viele Industrieländer, nicht zuletzt die Europäer, schließen lieber bilaterale Handelsabkommen, statt den multilateralen Weg zu suchen. Zudem hat die Zahl der nichttarifären Handelshemmnisse seit der Finanzkrise stark zugenommen. Das Ifo-Institut schätzt, dass das weltweite Importvolumen wegen dieser Hemmnisse von 2005 bis 2015 um rund 512 Mrd. Dollar geringer ausfiel. Diese Art von “verstecktem Protektionismus” in Form von Produkt-, Gesundheits oder Umweltstandards betreiben fast alle Industriestaaten, um ihre heimischen Industrien zu schützen.Mit Blick auf China, den Diebstahl geistigen Eigentums und dem chinesischen Verhalten ausländischer Firmen gegenüber ist Trumps Kritik nicht ganz unbegründet. Doch der Weg. um diese Dinge anzusprechen. sollte nicht über Schutzzölle und Handelskriege führen, sondern über die Welthandelsorganisation WTO. Dazu müsste die WTO allerdings weniger als Interessenorganisation der Mächtigen und mehr als eigenständige Organisation angesehen werden.So könnte die WTO etwa die Länder dazu auffordern, die globalen Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen abzubauen. Diese nehmen seit 2014 wieder zu, nachdem sie nach der Finanzkrise leicht abgenommen hatten (siehe Grafik) und sie sind eine der größten Schwachstellen im Welthandelssystem. Im Kern sind hohe Leistungsbilanzüberschüsse und -defizite Ausdruck eines deutlichen Ungleichgewichts zwischen Sparen und Investieren in einer Volkswirtschaft. Überschussländer weisen oft eine hohe Sparquote und einen Investitionsstau auf, während die Ursache von Leistungsbilanzdefiziten oft der übertriebene Konsum dieser Länder ist. Defizite und Überschüsse sind daher vor allem struktureller Natur und sollten dort angegangen werden, statt mit protektionistischen Maßnahmen wie Zöllen.Da die Ungleichgewichte allerdings ein globales Problem sind, müssen alle Länder bei den Reformen mitmachen. Defizitländer wie die USA müssen ihre Produktivität verbessern und die Sparquote erhöhen. Überschussländer wie Deutschland müssen mehr Investitionsanreize schaffen und die Binnennachfrage stärken. Schließlich ist der deutsche Leistungsbilanzüberschuss nicht nur Trump ein Dorn im Auge ist, sondern auch dem Rest der EU. Die Bundesrepublik sollte sich daher für einseitige Zollsenkungen der EU einsetzten und als Kompromiss den europäischen Partnern gegenüber die Investitionen zu Hause ankurbeln. Dies würde den transatlantischen Handelskonflikt entschärfen – und gleichzeitig das multilaterale Handelssystem stärken.