Die Schweiz ringt um einen Rettungsplan

Politikberater fordern 100-Mrd.-Franken-Fonds - Regierung will am Freitag informieren

Die Schweiz ringt um einen Rettungsplan

dz Zürich – 10 Mrd. sfr, so viel hatte die Schweizer Regierungsbehörde (Bundesrat) der Wirtschaft am vergangenen Freitag an Soforthilfen versprochen. Doch das ist bei weitem zu wenig. Angesichts der bereits dramatisch eingeschränkten und weiter abnehmenden Wirtschaftsaktivität im Land ist diese Erkenntnis inzwischen Konsens. Jan-Egbert Sturm und Hans Gersbach, zwei einflussreiche Politikberater und Wirtschaftsprofessoren an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich, fordern jetzt den zehnfachen Einsatz.Sturm, der das ETH-Konjunkturforschungsinstitut leitet, hatte das Umfeld, in dem dieser 100 Mrd. sfr schwere “Schweizfonds” notwendig wird, bereits am Dienstag mit der Veröffentlichung einer schlechten Konjunkturprognose abgesteckt. Die Schweizer müssen in diesem Jahr mit einer Entwicklung der Wirtschaftsleistung irgendwo zwischen 0 % und minus 2,3 % rechnen, hatte Sturm erklärt.Die “Whatever it takes”-Parole, welche die Bundesregierung am Freitag mit ihren “praktisch unbegrenzten” Liquiditätshilfen ausgegeben hatte, sei in puncto Radikalität und Umfang auch für die Schweiz das richtige Rezept, schreiben die beiden Professoren in einem am Mittwoch veröffentlichten Aufsatz.Es müsse darum gehen, den durch die Coronakrise entstehenden Wertschöpfungsverlust so weit wie möglich durch Hilfsmaßnahmen zu ersetzen, damit bereits getätigte Investitionen nicht wertlos werden und einen dauerhaften Schaden hinterlassen. Die Autoren empfehlen die Etablierung eines “Schweizfonds” in Höhe von 100 Mrd. sfr, aus dem etwa (rückzahlbare) Ersatzzahlungen für verlorene Umsätze geleistet werden könnten. Nötig seien zudem staatliche Garantien für Bankkredite. Auch die Nationalbank solle sich engagieren und Schieflagen von Geschäftsbanken mit angemessenen Liquiditätshilfen verhindern sowie eine Ausschüttung zur Refinanzierung des Fonds in Erwägung ziehen.Zur Mobilisierung der erforderlichen Finanzmittel könnten unter anderem die 600 Mrd. sfr herangezogen werden, welche die Geschäftsbanken bei der Notenbank als Sichtguthaben liegen haben und dort teilweise mit -0,75 % pro Jahr verzinsen müssen. Damit dieses Geld in den Kreditmarkt fließt, sind aber staatliche Rückzahlungsgarantien und vermutlich auch eine Lockerung der Eigenkapitalvorschriften nötig.Aus dem großen Liquiditätspool könnte sich indirekt auch die Eidgenossenschaft bedienen, indem sie nach Jahren des Schuldenabbaus wieder größere Anleihen emittiert, um sich die nötigen Barmittel für den Rettungsfonds zu beschaffen. Der jüngste Anstieg der Renditen eidgenössischer Anleihen sei ein starkes Indiz dafür, dass die Investoren solche Refinanzierungsoperationen erwarten, glaubt Benjamin Heck, Kapitalmarktspezialist der Credit Suisse.So ist die Rendite der zehnjährigen “Eidgenossen” allein in den vergangenen sechs Handelstagen um nahezu 0,6 Prozentpunkte auf -0,4 % gestiegen. Die Anleihen seien eine attraktive Anlage, solange ihre Verzinsung günstiger sei als der geltende Strafzins, sagt Heck. Umso mehr, als sich die Papiere bei der Nationalbank jederzeit in Bares tauschen lassen. Mit einer Verschuldungsquote von weniger als 30 % des Bruttoinlandsproduktes ist die Schweiz in einer guten Ausgangslage. Am Freitag will der Bundesrat ein neues Maßnahmenpaket bekannt geben.