Die Schweiz will sich in Washington nicht verstecken

Beim Treffen der G 20 und des IWF stehen große Länder einmal mehr unter Zugzwang als kleine

Die Schweiz will sich in Washington nicht verstecken

dz Zürich – Die Schweiz verbindet mit den G 20-Treffen keine besonders guten Erinnerungen. Die Gruppe der größten Volkswirtschaften, die ihre gemeinsame Diskussionsplattform 2008 im Zug des Lehman-Kollapses und der großen Weltfinanzkrise eilends zum globalen Krisenforum umfunktioniert hatten, setzte den Eidgenossen und ihrem großen Finanzplatz in den vergangen vier Jahren mehr als einmal das Messer an den Hals, um einen radikalen Politikwechsel im Umgang mit dem Bankgeheimnis zu erzwingen. Unvergessen bleibt die französische Drohung, das Land auf die schwarze Liste “unkooperativer Steueroasen” setzen zu lassen, um es mit der Aussicht auf die politische und wirtschaftliche Isolation zum radikalen Politikwechsel im Umgang mit dem Bankgeheimnis zu zwingen. Erstmalige TeilnahmeDiese Zeiten sind vorbei. Alexander Karrer, Botschafter im Staatssekretariat für internationale Finanzfragen, reiste diese Woche gern nach Washington. “Wir erhalten viele Informationen aus erster Hand und können uns in den Arbeitsgruppen aktiv in die Diskussionen einbringen”, sagt der Diplomat im Telefongespräch mit der Börsen-Zeitung. Russland, das die G 20 in diesem Jahr präsidiert, hat der Schweiz die erstmalige Teilnahme an den Treffen ermöglicht. Das Bankgeheimnis wird aller Voraussicht nach auch in Washington wieder ein Thema sein, obschon es eigentlich gar nicht auf der Agenda steht. Doch Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Italien und Spanien haben sich soeben dazu bekannt, gemeinsam einen erweiterten Informationsaustausch zu starten, damit dieser später als Vorlage für ein umfassendes multilaterales Abkommen dienen kann. Es sei ein weiter Weg, bis diese Initiative zu einem globalen Standard in der grenzüberschreitenden Kooperation in Steuersachen werden könne, sagt Karrer. Drei Voraussetzungen müssten erfüllt sein: Das System müsse effizient funktionieren, es müsse auf Gegenseitigkeit beruhen und alle wichtigen Finanzplätze müssten teilnehmen. Schwieriger AustauschDas ist in der Tat viel verlangt. Die Amerikaner, denen es zwar gelingt, ihren “Foreign Account Tax Compliance Act” unilateral und weltweit durchzusetzen, bekunden Mühe mit Forderungen nach Reziprozität. Amerikanische Banken seien nicht einmal gesetzlich dazu verpflichtet, den wirtschaftlichen Endberechtigten eines Kontos zu kennen, sagt Karrer. “Es nützt wenig, wenn man den Austausch von Informationen vereinbart, die gar nicht vorhanden sind.” Diese Anspielung zielt auch auf die Briten und deren Trust-Wesen.Die Schweiz zeigt an diesem Finanzministertreffen der G 20-Länder keine Angst davor, erneut als Steueroase an den Pranger gestellt zu werden. Die erzielten Fortschritte seien transparent und würden im Rahmen des Global Forums der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD auch laufenden überprüft.Stattdessen setzt sich die Schweiz an der Seite Russlands und auch Deutschlands für mehr Verbindlichkeit bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Bewältigung der Finanz- und Schuldenkrise ein. “Wir stehen klar dafür ein, dass die G 20 für jedes Land individuelle und konkrete Ziele für den Defizit- und Schuldenabbau definiert”, sagt Karrer. Dieses Anliegen steht auch im Vordergrund der russischen Präsidentschaft, und Wladimir Putin würde am großen Treffen der 20 Staatsoberhäupter Anfang September in St. Petersburg nur allzu gern ein entsprechendes Ergebnis präsentieren können.Zwar hatten die G 20 vor drei Jahren in Toronto pauschal die Defizithalbierung bis 2013 und die Schuldenstabilisierung bis 2016 beschlossen. Doch mit Amerika, Japan, Frankreich, Italien und anderen großen EU-Staaten bewegen sich eine ganze Reihe großer Volkswirtschaften, die zusammen rund 40 % des weltweiten Sozialproduktes verantworten, weiterhin in die falsche Richtung.Deutschland steht mit seiner Forderung an die Schuldenstaaten, in erster Linie an der Haushaltsdisziplin zu arbeiten, ziemlich allein da. Das bestätigt indirekt auch René Weber, Exekutivdirektor der Schweiz im Internationalen Währungsfonds (IWF). Im angelsächsisch-germanischen Streit über die Frage, ob Wachstum eine unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Fiskalpolitik ist oder ob nicht eher ein umgekehrter Zusammenhang besteht, vertrete die IWF-Direktorin Christine Lagarde die klare Mehrheit im zentralen IWF-Steuerungsgremium, dem Internationalen Währungs- und Finanzausschuss. Die Schweiz bemühe sich aber darum aufzuzeigen, dass die eine Strategie die andere nicht ausschließe, betont Weber. Amerikaner bremsenEin zentrales Anliegen der stetig mächtiger werdenden Schwellenländer ist auch die 15. Quotenreform im IWF, die sich eine gerechtere Aufteilung der Quoten weg von den alten Industrieländern hin zu den aufstrebenden Wirtschaftsnationen Asiens, Südamerikas und auch Afrikas zum Ziel gesetzt hat. Doch auch hier sind es die Amerikaner, die auf der Bremse stehen. Das Land mit dem immer noch größten Gewicht im IWF hat noch nicht einmal die 14. Quotenreform abgesegnet und keiner weiß, ob der Kongress diesen Antrag im Herbst zusammen mit dem Budget endlich annehmen wird. Gemäß der 14. Quotenreform müssten sich die Amerikaner vom IWF finanziell stärker in die Pflicht nehmen lassen, und den Politikern in Washington steht der Sinn momentan nicht unbedingt danach, mehr Geld für internationale Organisationen auszugeben.