Die überschattete Wahl Frankreichs

Parlamentswahlen im Juni für die Zukunft des Landes ebenso wichtig wie die Präsidentschaftswahlen

Die überschattete Wahl Frankreichs

Von Gesche Wüpper, ParisDie merkwürdigen Wendungen des französischen Präsidentschaftswahlkampfes halten die Märkte in Atem. Mittlerweile beginnen die Investoren aber auch, sich für die Parlamentswahlen zu interessieren, die im Juni anstehen. Denn sie werden fast ebenso entscheidend sein wie die Präsidentschaftswahlen Ende April und Anfang Mai, da die beiden Kandidaten, die sich derzeit die größten Hoffnungen auf den Einzug in die Stichwahl machen können, beide nicht auf eine Mehrheit im Parlament kommen dürften.Sowohl der parteiunabhängige Emmanuel Macron als auch Front-National-Chefin Marine Le Pen dürften zu einer Kohabitation mit der Regierung einer anderen Partei gezwungen sein, sollte einer von ihnen gewinnen. Damit würde Frankreich nach der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen am 7. Mai bis Ende Juni eine Phase unklarer Machtverhältnisse drohen. Zudem ist die Macht des französischen Staatsoberhauptes bei einer Kohabitation stark eingeschränkt. Bei einem Sieg Macrons könnte es deshalb für den ehemaligen Wirtschaftsminister schwierig werden, in Frankreich Reformen durchzusetzen.Bei einer Kohabitation behält der Präsident aber die Kompetenz in Sachen Außenpolitik. Die Frage sei deshalb, ob Le Pen ein Referendum zum EU-Verbleib machen könne, sollte sie die Präsidentschaftswahlen gewinnen und zur Kohabitation gezwungen sein, so die Experten der Großbank Nomura. Darüber müsste dann vermutlich die Justiz entscheiden. Sie könnte dem Antrag zustimmen, da in Frankreich bereits in der Vergangenheit Referenden zu EU-Fragen durchgeführt wurden, etwa 2005 über eine europäische Verfassung. Dies lehnten 55,7 % der Franzosen ab.Doch auch die zwei Kandidaten der konservativen Republikaner und der Sozialistischen Partei laufen Gefahr, sich nicht auf eine Mehrheit im Parlament stützen zu können, sollten sie gewinnen. Denn sowohl François Fillon als auch Benoît Hamon sind in ihren eigenen Parteien umstritten, da sie nicht die gemäßigte Mitte, sondern einen extremen Rand vertreten. So steht Fillon für eine erzkonservative Linie und Hamon für den linken Flügel der Sozialisten. Kooperation zugesichertFillons Weigerung, trotz der Ermittlungen gegen ihn im Zusammenhang mit der Scheinbeschäftigungsaffäre um seine Frau von seiner Kandidatur Abstand zu nehmen, hat einige seiner Parteikollegen verprellt, ebenso wie seine verbalen Attacken gegen Justiz und Medien. Überhaupt ist seine Rhetorik in den letzten Wochen radikaler geworden. Viele Republikaner, die ihm die Unterstützung aufgekündigt hatten, sind inzwischen dennoch reumütig zurückgekehrt, um ihn im Wahlkampf zu unterstützen, genau wie die Zentrumspartei UDI. Die Republikaner haben ihr diese Woche zugesichert, dass sie bei den Parlamentswahlen in 96 der 577 Wahlkreise für sie antreten kann und dass in 42 weiteren Wahlkreisen Vorwahlen entscheiden sollen, ob ein Vertreter der UDI oder der Republikaner antritt.Hamon wiederum will Zugeständnisse an die gemäßigte Mitte der Sozialisten machen, denn wie der Pariser Ex-Bürgermeister Bertrand Delanoë könnten weitere namhafte Parteimitglieder offen Macron unterstützen, etwa Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian. Ob sie bereit sein werden, für seine Bewegung En Marche bei den Parlamentswahlen anzutreten, muss sich noch zeigen. Macron hat 13 000 Bewerbungen von Kandidaten erhalten, die bereit sind, dies zu tun. Er will jeweils zur Hälfte Frauen und Männer aufstellen, wobei die Hälfte keine Berufspolitiker sein sollen. Der Front National hat bisher zwei Abgeordnete in der Nationalversammlung.