IM BLICKFELD

Die Welt braucht einen langen Atem im Handelskrieg

Von Julia Wacket, Frankfurt Börsen-Zeitung, 14.5.2019 Während viele Marktteilnehmer von der jüngsten Eskalation im Handelskrieg sichtlich überrascht waren, reagierten Politologen und Ökonomen gelassener. Sie hatten schon lange kommen sehen, dass es...

Die Welt braucht einen langen Atem im Handelskrieg

Von Julia Wacket, FrankfurtWährend viele Marktteilnehmer von der jüngsten Eskalation im Handelskrieg sichtlich überrascht waren, reagierten Politologen und Ökonomen gelassener. Sie hatten schon lange kommen sehen, dass es in diesem Konflikt keine einfache und vor allem keine schnelle Lösung geben wird – denn es geht um so viel mehr als das große US-Handelsbilanzdefizit gegenüber China: Es geht um Macht, um Innenpolitik, den Sieg in einem technologischen Wettstreit und nicht zuletzt um die Herrschaft der Weltpolitik in den nächsten Jahrzehnten. Die Ausweitungen der Zölle von beiden Seiten haben das nur noch einmal verdeutlicht.Die Differenzen zwischen den USA und China spiegeln sich vor allem in drei Kernthemen wider, die Chinas Vizepremier Liu He zuletzt als Konditionen für einen Handelsdeal auferlegt hat. Erstens, die Überwachung und Einhaltung des Handelsabkommens. Die USA wollen, dass China verpflichtende Regeln in sein nationales Recht einbaut. China will die Zusagen so vage wie möglich halten. Zweitens, der Umgang mit den Zöllen, die bereits in Kraft sind. China will, dass alle Zölle bei einem Handelsabkommen zurückgenommen werden, während die USA diese als Druckmittel beibehalten wollen. Drittens, China will das Abkommen auf die Einfuhr von US-Gütern beschränken, während es den USA viel mehr um strukturelle Reformen, wie den Umgang mit staatlichen Subventionen und forciertem Technologietransfer, geht. Denn die US-Strategen wissen genau, dass Pekings Aufstieg viel mehr von der Anzahl seiner Patente als dem Export seiner Landwirtschaftsprodukte abhängt. China will aber auf keinen Fall von seiner Industriestrategie “Made in China 2025” ablassen. Nicht nur China leidetTrump glaubt, dass vor allem China die Kosten eines Handelskrieges schultern wird. Dabei warnen selbst amerikanische Ökonomen und Trumps Wirtschaftsberater Larry Kudlow vor einer zu einseitigen Betrachtung der Kosten im Handelsstreit. Zölle werden eben nicht nur von China bezahlt, sondern auch von den US-Produzenten und -Verbrauchern, wenn Produkte aufgrund gleicher Nachfrage, aber höheren Kosten teurer werden. Und da China seine Vergeltungszölle sehr strategisch platziert, sind es vor allem Trump-Wähler in den Swing States, die darunter leiden.Dies könnte sich bei einer weiteren Eskalation noch verschärfen, da Trump die weniger sensiblen Produkte ausgehen, die er mit Zöllen belegen kann. Bei einer Ausweitung der Zölle auf alle chinesischen Einfuhren wären auch Konsumgüter wie TV-Geräte, Spielzeug und Kleidung betroffen. Wenn diese Produkte teuer werden, dürfte das bei Amerikanern zu einem größeren Aufschrei führen als etwa bei Waschmaschinen und Wäschetrocknern.Wer aber denkt, Trumps Zustimmungswerte würden angesichts des Handelskonflikts leiden, der irrt sich. Im Gegenteil, Trumps harte Linie scheint nicht nur seine Anhänger anzusprechen, sondern auch viele Wähler, die die weiche Linie vorheriger US-Regierungen gegenüber China kritisiert haben. Da China sich nicht in das liberale System eingliedere, könnte nur Trumps harte Strategie Chinas Aufstieg stoppen, heißt es. Erst wenn auch diese Wähler die ökonomischen Folgen des Handelskonflikts spüren, dürfte Trump zurückrudern.Bis dahin sehen sich sowohl Trump als auch Chinas Präsident Xi Jinping eher darin bestärkt, nicht klein beizugeben. Für die USA lässt sich China nur zu gut als Sündenbock für die hausgemachten Probleme nutzen. Nicht nur mit China hat die USA ein massives Handelsdefizit, auch mit 101 anderen Ländern war dies 2018 der Fall. Wenn die US-Konsumausgaben wachsen und die US-Regierung ein massives Haushaltsdefizit aufweist, muss das Land dafür irgendwo das Geld hernehmen. Die “China Global Times” berichtete gestern, chinesische Akademiker suchten bereits nach Wegen, um US-Anleihen abzustoßen, bislang ein Tabuthema im Handelsstreit.Aber nicht nur die USA, auch China verdrängt seine hausgemachten Probleme, wie etwa, dass Subventionen oft an unproduktive staatliche Unternehmen gehen und Reformen auf die lange Bank geschoben werden. Der Schutz geistigen Eigentums hat bislang allen Ländern geholfen, als sie die Entwicklungsleiter hochgeklettert sind, so wäre es auch bei China. Auswirkungen auf KonjunkturEin Handelsabkommen würde also beiden Nationen nützen – nur wird das politische Ego beider Verhandlungsführer wohl einem pragmatischen Waffenstillstand im Wege stehen. Die globale Konjunktureintrübung und expansive Geldpolitik der Notenbanken wird daher eher zu- als abnehmen. Die Welt braucht einen langen Atem im Handelskrieg.Das hat auch Auswirkungen auf andere Handelskonflikte, etwa den mit der EU, in dem am Samstag die Frist für eine Entscheidung zu den Autozöllen abläuft. Auch hier sind die Fronten verhärtet (die USA wollen Landwirtschaft in Verhandlungen einbeziehen, die EU nicht). Allerdings wird Trump einen Zwei-Fronten-Handelskrieg mit aller Macht vermeiden wollen, und auch viele Republikaner wollen es sich mit der EU in Anbetracht des “gemeinsamen Feindes” China nicht verscherzen. Deswegen wird eine Eskalation im transatlantischen Handelskonflikt wohl noch ein paar Wochen auf sich warten lassen – wenigstens eine gute Nachricht.