LEITARTIKEL

Dilemma in Italien

In Italien überstürzen sich die politischen Ereignisse. Kurz nachdem Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi am Samstag seine Kandidatur offiziell bekannt gab, hat Italiens Ministerpräsident Mario Monti seinen Rücktritt angekündigt. Damit gerät Italien...

Dilemma in Italien

In Italien überstürzen sich die politischen Ereignisse. Kurz nachdem Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi am Samstag seine Kandidatur offiziell bekannt gab, hat Italiens Ministerpräsident Mario Monti seinen Rücktritt angekündigt. Damit gerät Italien erneut in Turbulenzen. Die Finanzmärkte haben gestern drastisch auf die Regierungskrise reagiert. Kursverluste von über 3 % an der Mailänder Börse und ein neuerlicher Anstieg des Risikoaufschlags für italienische Staatstitel waren die Antwort auf das politische Comeback von Berlusconi und den Rückzug des Professore.Zwar wird Regierungschef Monti noch so lange weitermachen, bis das Stabilitätsgesetz mit dem Budget 2013 sowie das Sanierungsdekret für das süditalienische Stahlwerk Ilva die parlamentarische Hürde genommen haben. Die Berlusconi-Partei Popolo della Libertà (PdL) will noch für die zwei Maßnahmen stimmen, danach entzieht sie dem Regierungschef ihr Vertrauen. Es ist offensichtlich, dass Monti auf diese Weise nicht weiterregieren kann. Er hat das Handtuch geworfen. Mit dem vorzeitigen Rücktritt wollte er eine monatelange Agonie der Regierung vermeiden, was die Märkte erst recht in Aufruhr hätte versetzen können.Der seit dem Amtsantritt von Monti vor 13 Monaten mühsam gestartete Reformprozess gerät nun ins Stocken. Unter anderem werden die Ausgabenschnitte in der öffentlichen Verwaltung nicht umgesetzt, die vorgesehene Zusammenlegung von über 40 Provinzen wird ad acta gelegt. Die Einsparungen im Gesundheitswesen, die Ankurbelung der Infrastruktur, der Verkauf von Staatsimmobilien und die Steuerreform werden bis auf Weiteres aufgeschoben. Damit gerät nicht nur der für 2013 geplante Haushaltsausgleich in Gefahr, sondern auch Italiens Staatsverschuldung droht weiter zuzunehmen. Mit 2 000 Mrd. Euro im September, das entspricht 129 % des Bruttoinland sproduktes, ist Italien nach Griechenland das am höchst en verschuldete Land im Euroraum. Zweifellos wirken sich die seit Montag wieder zunehmenden Zinsen negativ auf die Staatsschulden aus. Für Italien ist es wichtig, dass der Reformprozess fortgesetzt wird. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso mahnte am Sonntag, das hochverschuldete Land dürfe nicht von seinen Reformen abrücken.Bislang regierte Monti mit der Unterstützung einer Vielzahl von Parteien, unter ihnen die PdL und die Demokratische Partei (PD). Monti will bis Weihnachten das Stabilitätsgesetz durchbringen und danach zurücktreten. Dies bedeutet, dass die ursprünglich für März oder April angesetzten Parlamentswahlen Mitte Februar stattfinden werden. Für die von Staatspräsident Giorgio Napolitano mehrmals angemahnte Wahlrechtsreform bleibt keine Zeit. Für seine persönliche Zukunft hat sich Monti Bedenkzeit erbeten. Drei Lösungen stehen zur Diskussion: Der Regierungschef zieht sich in sein Privatleben zurück und wartet, ob er nicht doch wieder zum Regieren aufgefordert wird. Da es unwahrscheinlich ist, dass bei den kommenden Wahlen eine Partei die klare Mehrheit erhält, bestehen berechtigte Chancen für ein Comeback. Die zweite Lösung besteht darin, dass der Regierungschef als Garant für eine Mitte-links-Koalition auftritt. Denn der Kandidat der Linksdemokraten (PD) Pierluigi Bersani ist sich bewusst, dass seine Partei in Europa eine relativ geringe Glaubwürdigkeit hat, mit welcher die Finanzmärkte kaum beruhigt werden können. Monti als Superminister einer Mitte-links-Koalition ist daher nicht auszuschließen. Der dritte Weg wäre, dass Monti bei den Wahlen kandidiert. Die Zentrumsparteien UDC und die Bewegung des Ferrari-Präsidenten Luca di Montezemolo, Italia Futura, hinter welcher auch Italiens Bürgergesellschaft steht, wollen Monti als Zugpferd haben. Alle drei Lösungen sind legitim. Aber nur die dritte Lösung bedeutet etwas Neues: Italien würde damit der jahrzehntelangen politischen Misswirtschaft den Rücken kehren. Monti selber sagte nur, dass er sich nach seinem angekündigten Rücktritt freier fühle und nichts ausschließen wolle.Ein Comeback Berlusconis wird in der Branche als Katastrophe für Italiens Finanzen und die Realwirtschaft gewertet. Die Aussicht, dass der alte Populist den Wahlkampf mit europafeindlichen Slogans prägen könnte, lässt viele Italiener um die Zukunft des Landes bangen. Berlusconis Rückwärtssalto beweist erneut, wie weit Italien von politischer Normalität entfernt ist. Seine Rückkehr droht mit einem Schlag die Bemühungen Mario Montis zunichte zu machen, der dem Land wieder zu internationalem Ansehen verholfen hatte.——–Von Thesy Kness-Bastaroli ——- Ein Comeback von Silvio Berlusconi wird in der Branche als Katastrophe sowohl für Italiens Finanzen als auch die Realwirtschaft gewertet.