DIW sieht kaum positive BIP-Effekte durch das Wachstumschancengesetz
"Nicht der kranke Mann Europas"
DIW kritisiert Fiskalpolitik und sieht kaum Effekte durch das Wachstumschancengesetz
ahe Berlin
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hält Warnungen vor einem wirtschaftlichen Abstieg Deutschlands ungeachtet der aktuellen Konjunkturschwäche für übertrieben. „Nein, Deutschland ist nicht der kranke Mann Europas“, betonte DIW-Präsident Marcel Fratzscher bei der Vorstellung der neuen Konjunkturprognose. Es könne allerdings so weit kommen, wenn jetzt wichtige Reformen nicht gemacht würden. Grundsätzlich ist die wirtschaftliche Stimmung nach Einschätzung Fratzschers aktuell „schlechter als die Realität“. Der neuen Prognose zufolge dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2023 in Deutschland nach dem überraschend schwachen zweiten Quartal allerdings mit 0,4% Prozent doppelt so stark schrumpfen wie bislang vorhergesagt. Für 2024 und 2025 wird dann wieder ein Wachstum von jeweils 1,2% erwartet.
Kritik des DIW kam unter anderem an der Finanzpolitik der Bundesregierung, die „keinen positiven Beitrag zur wirtschaftlichen Dynamik“ liefere, wie man ihn derzeit eigentlich erwarten würde. Fratzscher nannte den Kurs der Fiskalpolitik „gefährlich und zu restriktiv“. Die Einhaltung der Schuldenbremse auch im kommenden Jahr sei in Krisenzeiten nicht zu rechtfertigen und verhindere wichtige Zukunftsinvestitionen. Die Bundesregierung müsse diese Priorität überdenken. Ein expansivere Fiskalpolitik müsse auch nicht unbedingt die Inflation befeuern.
Das geplante Wachstumschancengesetz, das die Unternehmen bis 2028 um 32 Mrd. Euro entlasten soll, sieht Fratzscher nicht als „großen Wurf“ an. Das Gesetz habe eine „große Unwucht“ zu Lasten der Kommunen, die rund ein Drittel der Steuerausfälle tragen müssten. Er sehe nicht, wie diese Vorlage eine Zustimmung im Bundesrat erhalten könne. Nach Berechnungen des DIW würden die temporären Maßnahmen des Gesetzes das BIP im nächsten Jahr gerade einmal um 0,06% erhöhen und die Investitionen um 0,4%. 2028 gäbe es dann kaum noch BIP-Effekte. Den langfristigen fiskalischen Impuls der permanenten Maßnahmen aus dem Gesetz sieht das DIW bei 1,8 Mrd. Euro oder 0,0045% des BIP. Dies sei zu gering sei, um dauerhaft merkliche realwirtschaftliche Effekte zu erzielen.