LEITARTIKEL

Dollar versus Euro

Von angeschlagenen Boxern und verletzten Tieren heißt es oft, sie seien besonders gefährlich: In ihrer Not und Verzweiflung reagierten sie äußerst aggressiv. Ein wenig fühlt man sich aktuell daran erinnert bei so mancher Wortmeldung aus Frankreich....

Dollar versus Euro

Von angeschlagenen Boxern und verletzten Tieren heißt es oft, sie seien besonders gefährlich: In ihrer Not und Verzweiflung reagierten sie äußerst aggressiv. Ein wenig fühlt man sich aktuell daran erinnert bei so mancher Wortmeldung aus Frankreich. Die “Grande Nation” ist politisch, wirtschaftlich und moralisch schwer angeknockt – und was passiert? Politik und Wirtschaft schlagen wild um sich und wettern gegen die EU-Sparpolitik, die Euro-Stärke und die internationale Dollar-Dominanz.Nun wäre es ein Leichtes, das in Bausch und Bogen zu verdammen mit dem simplen Verweis, dass da nur von eigenem Versagen abgelenkt werden soll. Dennoch lohnt sich teils ein zweiter Blick: Was die Dollar-Dominanz betrifft, birgt diese nämlich durchaus ihre Tücken. Die Vormachtstellung lässt sich aber eben nicht im Handstreich oder per Regierungsdekret brechen. Wenn es indes um die Euro-Stärke geht, besteht die große Gefahr, dass Euroland auf eine gefährliche Bahn gerät. Das gilt es zu verhindern.Die Leitrolle des Dollar – der Finanzminister Michel Sapin den Kampf ansagt – sorgt seit jeher für Unmut an der Seine. Darin mag sich auch der französische Wunsch nach Unabhängigkeit widerspiegeln. Aktuell steckt aber vor allem die Strafe von knapp 9 Mrd. Dollar dahinter, die die US-Justiz BNP Paribas aufgebrummt hat. Sie wirft BNP vor, US-Sanktionen bei Geldgeschäften mit Sudan, Kuba und Iran verletzt zu haben. Nach EU-Recht waren die Deals nicht strafbar. Da sie aber in Dollar abgewickelt wurden, fühlt sich die US-Justiz zuständig. Das stößt vielen in Frankreich übel auf und hat so manchen politisch Verantwortlichen traumatisiert. Die Kritik wird aber dadurch desavouiert, dass BNP versucht hat, alles zu verschleiern. Das ändert gleichwohl nichts daran, dass die dominante Rolle des Dollar in der Tat für die USA eine dauernde Versuchung darstellt, auf diesem Umweg nationale Gesetze weltweit durchzupauken. Das darf nicht sein, und das muss Washington sehr klar gemacht werden.Zweifel sind auch angebracht, ob die Dominanz des Dollar für die Welt stets ein Segen ist. Für ein Land mit der Leitwährung ist es leichter, internationale Abnehmer für die eigenen Schuldtitel zu finden. So können sich Verbraucher und Firmen in den USA sowie der Staat günstig verschulden. Zu was das führen kann, hat die Subprime-Krise dramatisch gezeigt. Viele Ökonomen sehen in der Leitrolle des Greenback eine Ursache für die vielen Finanzkrisen seit den siebziger Jahren. Ein System mit mehreren gleichberechtigten Währungen könnte den Wettbewerb der Länder um solide Finanzen und gute Wirtschaftsbedingungen fördern.Ein Systemwechsel lässt sich aber nicht einfach verordnen – da irrt Sapin. Am Ende entscheidet allein der Markt. Viele Akteure haben sich über Jahrzehnte an den Dollar als wichtigste Währung etwa für Kapitalanlagen und den Handel gewöhnt, und sie sehen keine Alternative zur Sicherheit und Liquidität des US-Staatsanleihemarkts. Wenn Sapin den Euro promoten will, kann er mit solider Politik seinerseits am meisten beitragen, dessen Attraktivität zu steigern. Er sollte aber nicht vergessen, dass der Status einer führenden Währung nicht nur Privileg ist. Es bedeutet etwa auch, dass die Nachfrage nach der Valuta etwa durch die Manager von Devisenreserven stets hoch ist – was den Wechselkurs tendenziell höher hält.Das bringt einen zu den französischen Forderungen nach einer gezielten Abwertung des Euro und einer aktiven Wechselkurspolitik. Sicher lässt sich streiten, ob ein Euro-Kurs von 1,36 Dollar zu einer mauen Wirtschaft und ungemütlich niedrigen Inflation passt. Es gibt aber gute Gründe für die Stärke, allen voran die neue Anziehungskraft von Euroland – auch als Folge der Versprechungen der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Kapitalzuflüsse ihrerseits haben die Zinsen auf Staatsanleihen gedrückt. Tatsache ist zudem, dass Währungsmanipulationen kein probates Mittel sind, um dauerhaft wettbewerbsfähig zu werden: Frankreich wird schlechterdings um schmerzhafte Einschnitte nicht umhinkommen.Letztlich sind aber auch die Mittel der EZB limitiert. Einseitige Deviseninterventionen wären wenig erfolgversprechend, groß angelegte Staatsanleihekäufe hingegen sollten allenfalls Ultima Ratio sein, wenn es ernsthafte Deflationsgefahren für Euroland gibt. Die EZB muss nun darauf hoffen, dass eine Zinswende in den USA den Dollar befeuert – auch wenn ein solcher Exit über steigende Kapitalmarktzinsen weltweit wieder andere Probleme bringen dürfte. Sie hat recht, den Euro genau zu beobachten, weil er den Inflationsausblick mitbestimmt. Von einer gezielten Wechselkurspolitik sollte sie aber die Finger lassen. Und die EZB sollte sich schon gar nicht in einen Währungskrieg hineintreiben lassen, der am Ende nur Verlierer kennt.——–Von Mark SchrörsFrankreichs Spitzen wettern gegen die internationale Dollar-Dominanz und die Stärke des Euro. Sie verkennen dabei aber, wer letztlich entscheidet: der Markt.——-