ANSICHTSSACHE

Donald Trump hätte Walter Eucken lesen sollen

Börsen-Zeitung, 28.1.2017 Es dürfte ziemlich unwahrscheinlich sein, dass der neue US-Präsident Donald Trump den Namen Walter Eucken jemals gehört hat. Mit Eucken hätte er auch keine Deals machen können, weil Eucken erstens kein Milliardär war und...

Donald Trump hätte Walter Eucken lesen sollen

Es dürfte ziemlich unwahrscheinlich sein, dass der neue US-Präsident Donald Trump den Namen Walter Eucken jemals gehört hat. Mit Eucken hätte er auch keine Deals machen können, weil Eucken erstens kein Milliardär war und zweitens Deals als Mittel der Wirtschaftspolitik ablehnte. In seinen Grundsätzen der Wirtschaftspolitik, die als Fundament der Freiburger Schule gelten, sprach er sich vehement für eine Konstanz der Wirtschaftspolitik aus, um die Erwartungen der Marktteilnehmer zu stabilisieren. Von stabilen Erwartungen sind die Menschen in den USA in der ersten Woche der neuen Präsidentschaft jedoch meilenweit entfernt. Dominant ist eher ein Gefühl der Unsicherheit und der Sorge: Am Tage der Aufkündigung des transpazifischen Freihandelsabkommens herrschte Ratlosigkeit, in welche Richtung die USA als ehemals wichtigster Verfechter des Freihandels abgleiten können. Euckens acht PrinzipienDer große liberale Denker Walter Eucken, der leider aus den Curricula moderner volkswirtschaftlicher Fakultäten weitgehend verschwunden ist, erfreut sich jedoch in Krisen- oder Umbruchzeiten nach wie vor großer Beliebtheit. Und zumindest von einem Umbruch kann man sprechen, wenn Trump die Eckpfeiler der Nachkriegsordnung – die Nato, die europäische Integration und den freien Welthandel – aufgibt, ohne ein überzeugendes Alternativmodell aufzuzeigen. Eucken betonte, dass eine freiheitliche Wettbewerbsordnung auf acht konstituierenden Prinzipien aufgebaut ist. Ein System freier Preise muss umgeben sein von Privateigentum, Vertragsfreiheit, Haftung für eigene wirtschaftliche Leistungen, offenen Märkten, Konstanz der Wirtschaftspolitik und Preisniveaustabilität. Das achte Prinzip bei Eucken war die Zusammengehörigkeit aller Elemente: Bricht man nur ein Prinzip heraus, so zerfällt die Wettbewerbsordnung mit gravierenden Nachteilen für die Menschen, die Unternehmen und den Staat.Überprüft man die Agenda Trumps mit den Prinzipien Euckens, so ergibt sich ein pessimistisches Bild für die anstehenden Jahre. Das Prinzip der offenen Märkte wird bei Trump vollständig aufgegeben. Er ist gegen das Freihandelsabkommen mit Europa und hat das Freihandelsabkommen mit den pazifischen Staaten als erste Amtshandlung gekündigt. So offen wie kein anderer westlicher Staatsmann seit 70 Jahren spricht er sich für Protektionismus aus, sieht in Europa lediglich ein Vehikel, um die USA “handelspolitisch zu schlagen” und schlägt in seiner Inaugurierungsansprache ein “Buy-American-Programm” vor. Historiker wissen, dass es das schon einmal gab – mit katastrophalen Effekten für den Welthandel.Auch die Prinzipien der Vertragsfreiheit und der Haftung stehen bei Trump nicht hoch im Kurs. Die Handelsabkommen mit Mexiko und Kanada will er einseitig kündigen, um bessere Deals zu erzwingen – ohne Rücksicht auf bestehende logistische Produktionszusammenhänge und Verträge. Für wettbewerbsschwache amerikanische Industrien will er Schutzzölle einführen, um die Arbeitsplätze zu erhalten. Diese geplanten Maßnahmen dürften auf Seiten der WTO und der Handelspartner nicht unbeantwortet bleiben, wie es bereits beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos angeklungen ist.Ein besonderes rotes Tuch für Trump, schon im Wahlkampf und auch als gewählter US-Präsident, ist jedoch die Unabhängigkeit der Notenbank. Der “starke Dollar” gilt als weiterer Grund für den Verlust an amerikanischen Arbeitsplätzen und die angekündigten Zinserhöhungen von Janet Yellen gar als Wahlkampfhilfe für die Demokraten. Im System von Walter Eucken hat die Währungspolitik einen herausragenden Stellenwert. Gerät sie in die Hände einer unbeschränkten Regierung, kann von ihr eine hohe zerstörerische Kraft ausgehen: Stabiles Geld ist nicht alles, aber ohne stabiles Geld ist alles nichts. Zwar ist die Notenbankautonomie in den USA durch die Verfassung gut geschützt, gleichwohl reichen schon die populistischen Angriffe von Trump, um die Märkte zu verunsichern. Wird die Geldpolitik unabhängig bleiben oder in den Dienst von “America first” gestellt werden? Zerbrechen die USA?Ein weiterer zentraler Gedanke bei Eucken ist die Interdependenz von politischer und wirtschaftlicher Ordnung. Auch hier ist bei Donald Trump ein großes Fragezeichen angebracht, sowohl im Innenverhältnis wie auch in der Außenwirkung der USA. Die Ankündigung, die Gesundheitsreform Obamas zurückzunehmen, dürfte bei den 16 Millionen Betroffenen nicht ohne Reaktion bleiben. Und der außenpolitische Verlust an Glaubwürdigkeit, den Trump bereits heute mit seinen Bemerkungen über die Nato und die EU verursacht hat, dürfte lange nachwirken. Vertrauen, das knappste Gut in Wirtschaft und Politik, wird ersetzt durch die vage Hoffnung, eventuell durch Trump einen guten Deal geschenkt zu bekommen.Langfristige Investitionsentscheidungen hängen neben betriebswirtschaftlichen auch von politischen Rahmenbedingungen und “good governance” ab. Die politische Zerrissenheit der USA, die mit der zweiten Amtszeit von Bill Clinton begann, hat ein immer bedrohlicheres Ausmaß angenommen. Der amerikanische Historiker von der New York University, Timothy Naftali, befürchtet gar ein Auseinanderbrechen der USA in der Amtszeit von Trump. Dieses düstere Szenario erscheint übertrieben, aber eines ist sicher: Die wirtschaftspolitische Agenda von Donald Trump ist nicht geeignet, Amerika wieder groß zu machen. Denn die Leistungsfähigkeit eines Landes hängt von seinen politischen und wirtschaftlichen Institutionen sowie von der Wettbewerbsordnung ab und nicht von der Fähigkeit eines Präsidenten, mit anderen Deals zu vereinbaren.—-Prof. Dr. Dirk Wentzel lehrt Volkswirtschaft und Europäische Wirtschaftsbeziehungen an der Hochschule Pforzheim und ist Inhaber des Jean-Monnet-Lehrstuhls der Europäischen Kommission.In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.——–Von Dirk WentzelDie wirtschaftspolitische Agenda von Donald Trump ist nicht geeignet, Amerika wieder groß zu machen.——-